Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
Polyester-Uniform gegen mein weißes Baumwollnachthemd eintauschen und wieder ins Bett kriechen. Zum Glück war ich nicht so müde, wie ich befürchtet hatte. Ich fühlte mich vielmehr überraschend gut.
Ich setzte rückwärts auf die Straße und ließ das Fenster herunter, um die frische kühle Morgenluft hereinzulassen. Im Süden Floridas ist der November eine wunderbare Jahreszeit. Die Temperaturen liegen für gewöhnlich bei angenehmen fünfundzwanzig Grad, die drückende Feuchtigkeit der Sommermonate ist weitgehend überstanden, die Gefahr extremer Wetterschwankungen vorüber. Stattdessen bietet der Himmel ein sich ständig veränderndes Panorama aus Sonne und Wolken mit einem gelegentlichen willkommenen Regenschauer. Außerdem bekommen wir mehr als unseren gerechten
Anteil an absolut makellosen Nachmittagen, an denen die Sonne hoch an einem grenzenlos weiten, postkartenblauen Himmel steht. Und es sah so aus, als würde es ein solch strahlender Tag werden. Wenn ich heimkam, würde sich Alison vielleicht so weit erholt haben, dass wir einen Strandspaziergang machen konnten. Nichts heilt und beruhigt die aufgewühlte Seele besser als das Meer. Vielleicht wird sein Zauber auch eine Migräne lindern, dachte ich mit einem Blick zu meinem Schlafzimmerfenster.
Einen Moment lang war mir, als hätten sich die Gardinen bewegt. Ich trat auf die Bremse und beugte mich zur Windschutzscheibe vor, doch bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass es offenbar nur eine optische Täuschung gewesen war, nur die Schatten der nahen Bäume, deren Spiegelbilder über die Scheibe tanzten und damit die Illusion einer Bewegung dahinter hervorriefen. Eine Weile beobachtete ich das Fenster und lauschte dem Wispern der Palmwedel im Wind. Die Gardinen vor meinem Schlafzimmerfenster hingen still und unbewegt.
Ich fuhr los, zunächst langsam die 7 th Avenue hinunter und dann links in die Atlantic Avenue. Um diese Tageszeit ist die normalerweise verstopfte Durchgangsstraße noch fast leer, was einer der wenigen Vorteile eines frühen Arbeitsbeginns ist, sodass ich einen unverstellten Blick auf zahlreiche Läden, Galerien und Restaurants hatte, die das Bild der Stadt in den letzten Jahren verändert hatten. Viele Stadtbewohner waren wie ich überrascht, dass Delray beinahe so etwas wie ein angesagtes Reiseziel geworden war, nicht mehr nur eine Stadt zum Durchfahren. Ich mochte die unerwarteten Veränderungen, die aufregende Atmosphäre, auch wenn ich selbst selten daran teilhatte. Doch ich wusste instinktiv, dass Alison es lieben würde.
Ich passierte die Tennisanlage am nördlichen Teil der Atlantic Avenue, wo im Frühjahr alljährlich die Citrix Open
ausgetragen werden, den Old School Square an der Ecke Swinton Avenue, das Gerichtsgebäude und die Feuerwache von Delray Beach zu meiner Linken. Ich nahm die Unterführung der Interstate 95 zur Jog Road und fuhr weiter nach Süden. Fünf Minuten später war ich am Krankenhaus.
Mission Care ist eine kleine, in einem fünfstöckigen, bonbonrosafarbenen Gebäude untergebrachte Privatklinik, die sich auf die Pflege chronisch Kranker spezialisiert hat. Die Mehrheit der Patienten sind ältere Menschen, die beträchtliche Schmerzen leiden und deshalb häufig gereizt und ungehalten sind. Wer will es ihnen verübeln? Sie wissen, dass sie nicht mehr genesen und nach Hause zurückkehren werden, sondern dass dies in der Tat ihre vorletzte Ruhestätte ist. Einige sind schon seit Jahren hier, liegen in ihren schmalen Betten, starren leeren Blickes an die Decke, warten darauf, dass die Schwestern sie baden oder in eine bequemere Position umbetten, sehnen sich nach Besuch, der nur selten kommt, und beten stumm um den Tod, während sie sich stur ans Leben klammern.
Das muss doch deprimierend sein, sagen die Leute immer zu mir, ständig von Kranken und Sterbenden umgeben zu sein, und ich gebe zu, dass es das manchmal auch ist. Es ist nie leicht, dem Leiden anderer zuzusehen, eine junge, in der Blüte ihres Lebens mit multipler Sklerose geschlagene Frau zu trösten, ein komatöses Kind zu pflegen, das nie wieder aufwachen wird, oder zu versuchen, einen alten Mann mit Alzheimer zu beruhigen, der seinen Sohn unflätig beschimpft, an den er sich nicht mehr erinnern kann.
Und doch gibt es immer wieder Momente, für die sich das alles lohnt. Momente, in denen eine schlichte Freundlichkeit mit einem so strahlenden Lächeln erwidert wird, dass einem die Tränen in die Augen schießen, mit einem so ehrlich gemeinten,
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