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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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kleine Bäche verwandelt, überall sprudelte Wasser aus den Gullys. Am Rande eines Dorfes tauchte plötzlich ein Mofafahrer vor ihnen auf. Auf seiner wenige PS schwachen Maschine knatterte er dick eingepackt gegen das Unwetter an. Er wirkte so schutzlos und verletzlich wie eine Nussschale auf einem Ozean.
    »Ach je«, sagte Renate, »guck dir mal den an. Der hat ja Nerven.«
    Renate fuhr langsam hinter ihm her. Die Scheibenwischer flogen in der höchsten Stufe über die Windschutzscheibe, dennoch verschwamm das Rücklicht des Mofas immer wieder im Regenschleier.
    Jenseits der breiten Straße ragten die Hänge des Teutoburger Walds in die Höhe. Da war ein schmaler Streifen mit Wiesen und abgeernteten Weizenfeldern, darüber folgten die bewaldeten Höhenkämme. Doch trotz der Mittagszeit war der Gipfel kaum zu erkennen. Alles war düster und grau.
    »Was ist eigentlich passiert zwischen euch?«, fragte Sanna abrupt. »Zwischen dir und meinen Eltern?«
    Renate wandte den Blick nicht von der Straße. Sie hielt sorgsam Abstand zu dem tapferen Mopedfahrer.
    »Gar nichts«, sagte sie. »Was meinst du denn?«
    »Irgendwas muss da doch gewesen sein. Nicht mal Weihnachten seht ihr euch. Und Mama redet nie über dich. Habt ihr euch zerstritten?«
    Renate zögerte. »Ich weiß nicht, was du meinst. Wir sind eben unterschiedlich. Deine Mutter und ich, also wir waren schon als Kinder sehr verschieden, das weißt du doch.«
    Sie log. Sanna spürte das genau.
    »Wenn du denkst, dass es mich nichts angeht …«
    Sie stockte. Etwas veränderte sich. Ein Gefühl, als würde ihr Magen durchgeknetet. Da war ein Riss im Asphalt. Sie starrte erschrocken in die Regenschleier. Plötzlich war das Rücklicht des Mofas fort. Einfach von der Straße verschwunden. Ehe sie begriff, was überhaupt geschah, schrie sie: »Tante Renate! Stopp!«
    Eine Vollbremsung. Der Wagen schlitterte über die regennasse Fahrbahn. Ein Ruck drückte sie in die Sitze. Die Wagenunterseite schlug auf den Asphalt, einer der Vorderreifen ragte ins Nichts. Vor ihnen tat sich ein Abgrund auf, mitten auf der Fahrbahn. Überall waren Risse im Belag, und auf ein paar Metern Länge war die Straße einfach weg. Abgerutscht ins Tal.
    Renate atmete schwer. Sie und Sanna wechselten erschrockene Blicke. Dann war da ein tiefes Grollen. Der Boden begann sich zu bewegen. Ein Strauch drehte sich langsam, neigte sich vor und rutschte aus ihrem Blickfeld.
    »Zurück!«, schrie Sanna. »Du musst zurücksetzen!«
    Tante Renate rüttelte wild an der Gangschaltung herum. Als sie Gas gab, soff augenblicklich der Motor ab. Sie fummelte hektisch am Zündschlüssel. Doch da begann sich der Wagen bereits zu drehen. Er wurde von unten angehoben und langsam verschoben. Sanna spürte die ungeheuere Kraft, die hier am Werk war.
    »Wir müssen raus!«
    Aber es war schon zu spät. Ein ohrenbetäubender Lärm füllte jetzt alles aus, ein dumpfes Donnergrollen, direkt aus dem Berg. Der gesamte Hang geriet ins Rutschen. Ein Strommast stürzte nach vorn und wurde vom Boden verschluckt. Eine Reihe Fichten, die aussahen, als kämpften sie um ihr Gleichgewicht, befanden sich plötzlich dort, wo gerade noch die Straße gewesen war. Wie Packeis glitten Erdmassen an ihnen vorbei. Tante Renate begann zu schreien, doch ihre Stimme wirkte fern und unwirklich.
    Der Wagen wurde weiter verschoben, Brocken aus Asphalt zerbeulten lautstark die Motorhaube, dann drehten sie sich um ihre Achse. Tante Renates Einkäufe kullerten durch den Fußraum, die Heckscheibe zersplitterte, Scherben und Regenwasser stürzten auf sie nieder.
    Sanna schlang die Arme um ihren Kopf. Das war also ihr Ende. Sie dachte an Jannis. Ob sie sich wiedersehen würden? Sie glaubte nicht an Gott, trotzdem schien ihr das plötzlich möglich zu sein, ja sogar wahrscheinlich. Sie würde Jannis gleich sehen. Eine seltsame Ruhe befiel sie.
    Dann war der Lärm vorbei. Der Wagen bewegte sich nicht mehr. Alles wurde ruhig. Nur der Regen prasselte weiterhin auf sie ein. Sanna hob vorsichtig ihren Kopf. Der Golf stand eingeklemmt zwischen den Asphaltbrocken und der verbogenen Leitplanke. Die Straße vor ihnen, der gesamte Hang war auf gut hundert Meter nicht mehr zu sehen. Einfach verschwunden. Hoch oben am bewaldeten Berg war die Abbruchkante zu erkennen. Ein paar schräg stehende Fichten ragten mit ihrem Wurzelwerk über den Abgrund hinaus. Darunter waren nur noch Erd- und Gesteinsschichten.
    »Ist es vorbei?«, flüsterte Tante Renate.
    »Weiß nicht. Wir

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