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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Kopf sank in den Nacken, eine Sekunde lang geschah gar nichts, und dann ging es los: Ein erstickter kehliger Laut, beginnendes Zittern, ein würgender Schrei – und er fiel nach hintenüber. Schlug auf den nackten Fels auf, wurde von unkontrollierten Zuckungen befallen, trat aus, schlug um sich, war plötzlich wie besessen.
    Sanna starrte ihn fassungslos an.
    »Jannis! Was ist los?«
    Er reagierte nicht. Sie versuchte, ihn in den Arm zu nehmen, doch es gelang ihr nicht. Die Krämpfe waren zu stark, sie schüttelten seinen ganzen Körper durch, ein kehliges Würgen erklang. Dann trat Blut aus seinem Mund und ergoss sich über das zitternde Kinn.
    »Jannis, kannst du sprechen? Bitte sag was!«
    Sie hatte einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, das gehörte zum Pflichtprogramm an der Fachhochschule. Gemeinsam mit einer Freundin. Doch das war ewig her. Und damals, als sie die Puppe beatmen sollten, hatten sie nur gekichert. Sie waren furchtbar albern gewesen, und im Grunde hatte Sanna gar nichts gelernt.
    Blutiger Schaum trat vor seinen Mund. Die Augen verschwanden in den Höhlen. Sanna geriet zunehmend in Panik. Verzweifelt drückte sie seinen Körper auf den felsigen Grund, mit aller Kraft, die sie aufwenden konnte. Doch der Anfall war stärker. Und es wurde immer schlimmer.
    Es lag jetzt an ihr. Sie musste etwas tun. Ihn retten. Und sie durfte keinen Fehler machen. Sonst wäre es zu spät, das wusste sie irgendwie. Aber was war das Richtige? Sie blickte sich hektisch um. Da waren das Meer, die Hänge und der blaue Himmel.
    Das Auto. Sie musste zum Ferienhaus und den Wagen holen. Ihn ins Krankenhaus fahren. Schnell.
    Sie sprang auf. Jannis lag zuckend und würgend am Boden.
    »Ich komme gleich wieder, Jannis. Hörst du? Ich hole nur das Auto. Bin sofort wieder da.«
    Sie riss sich los und begann zu rennen.
    Laufen. Auf kurzer Distanz hatte sie immer alle abgehängt. Keine war so schnell wie sie. Lauf, Sanna, lauf, dachte sie. Sie war bereits auf der Straße, als ihr klar wurde: Jannis hatte den Wagen vorhin ihren Nachbarn geliehen, einem Pärchen aus Düsseldorf, das für ein gemeinsames Abendessen einkaufen wollte. Sanna strauchelte. Blieb stehen. Um sie herum der aufgeheizte Asphalt. Die flirrende Luft. Was jetzt? Sie drehte sich im Kreis. Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
    Ihr Handy. Es lag auf dem Nachttisch in der Aufladestation. Sie rannte weiter. Sie würde Hilfe holen. Den Notarzt rufen. Doch gerade, als das Ferienhaus in Sichtnähe kam, fiel ihr ein: Jannis hatte den Haustürschlüssel. Er trug ihn in seiner Hosentasche.
    Es war ein Gefühl, als steckte sie im Treibsand, als würde sie immer tiefer gezogen, als gäbe es kein Entkommen.
    Sie kehrte um, lief zurück zum Meer. Jannis lag noch immer auf dem Felsen. Sein Körper bäumte sich auf, Gliedmaßen zuckten unkontrolliert. Sie beschleunigte ihre Schritte.
    »Jannis! Ich komme! Ich bin hier!«
    Dann waren da Motorengeräusche zu hören, und im nächsten Moment tauchten die Halbstarken auf der Straße auf. Sie fuhren direkt auf Sanna zu. Mit ihren Sonnenbrillen, den Lederjacken und machohaften Posen wirkten sie geradezu martialisch. Sie umkreisten sie, ließen Motoren aufheulen, blieben schließlich stehen. Ein Rudel Wölfe, das seine Beute umzingelte. Helme wurden abgenommen und Sonnenbrillen hochgeschoben.
    Sanna hatte nur eine Chance. Sie rief ihnen voller Verzweiflung entgegen: »Ich brauche Hilfe! Bitte! Mein Bruder!« Dann deutete sie auf Jannis, der zuckend auf dem Felsen lag. Es war ein gespenstisches Bild, das seine Wirkung zeigte. Verwunderung spiegelte sich in den gerade noch so finsteren Gesichtern der jungen Männer. Etwas Seltsames passierte. Die Atmosphäre veränderte sich. Plötzlich war nichts mehr zu spüren von dem machohaften Auftreten. Die Jungs wirkten gar nicht mehr gefährlich. Sondern eher wie Schulkinder. Sie waren erschrocken, redeten wild auf Kroatisch durcheinander. Sanna verstand kein Wort, doch schließlich zog einer ein Handy hervor. Er wählte, sah nochmals zu Jannis, sprach aufgeregt ins Gerät und legte auf.
    »Ambulance«, sagte er zu Sanna.
    »Ja, genau. Ambulance. Schnell!«
    Sanna spürte Erleichterung. Ohne weiter auf die jungen Männer zu achten, lief sie zu Jannis zurück.
    »Hilfe ist unterwegs. Halte durch, Jannis. Ein Krankenwagen kommt.« Sie ließ sich neben ihn auf den Felsen fallen. Später würde sie nicht sagen können, wie lange sie dort gesessen hatte. Wahrscheinlich waren es nur Minuten, aber es kam ihr vor wie

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