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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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»Möchte noch jemand? Sonst räume ich ab.«
    Dann stand sie auf und stellte die Teller zusammen. Vincent, der die ganze Zeit seltsam wortkarg gewesen war, stand ebenfalls auf. Er half ihrer Mutter beim Abräumen. Dabei vermied er es, Sanna anzusehen. Es wirkte, als wolle er fliehen. Dieses Thema war auch für ihn anscheinend nicht einfach.
    »Ich höre deine Gründe, Sanna«, insistierte ihr Vater, als die beiden draußen waren. »Ich bin ja nicht taub. Aber ich begreife es nicht. Ich kann dich einfach nicht verstehen.«
    Sie blickte ihn wortlos an. Was konnte sie darauf schon erwidern? Die wahren Gründe waren schließlich andere. Doch das wollte sie lieber für sich behalten.
    Ihre Mutter holte Kaffee. Vincent kehrte zurück und setzte sich wieder. Er wirkte irgendwie unglücklich. Noch immer vermied er es, Sanna anzublicken. Er sprach Georg auf eine Geldanlage an, und plötzlich war Sannas Umzug kein Thema mehr. Sie entschuldigte sich und ging zur Toilette. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Dann betrachtete sie lange ihr Spiegelbild.
    Auf dem Weg zurück blieb sie an der Freitreppe stehen. Die Unterhaltung im Esszimmer ging unverändert weiter, und Sanna schlich die Stufen hinauf. Sie betrat den Flur, der zu ihren alten Kinderzimmern führte. Der dicke Teppich schluckte jedes Geräusch. Vorsichtig trat sie an Jannis’ Zimmertür. Sie war unverschlossen. Im Innern Dunkelheit. Sie tastete nach dem Schalter, und Licht erhellte den Raum.
    Es war jetzt das Kinderzimmer von Ines’ Ältestem. Die Wände waren blassblau gestrichen, es gab Vorhänge mit Wal-Motiven, Teddybären hockten im Kinderbettchen, und Mobiles hingen von der Decke. Nichts erinnerte mehr an Jannis. Sein Zimmer war zu keinem Schrein konserviert worden wie in anderen Familien, in denen ein Kind gestorben war. Seine Eltern hatten Abschied genommen. Ihre Trauerarbeit geleistet. So sah es zumindest aus. Die Botschaft war: Wir ehren unsere Toten, aber das Leben geht weiter.
    Doch das war eine Lüge. Die Wunden waren keineswegs verheilt. Keiner hatte Abschied genommen. Man ließ es nur so aussehen. Sanna wurde immer noch für Jannis’ Tod verantwortlich gemacht. Keiner konnte ihr das verzeihen. Wäre sie nicht gewesen, würde Jannis noch leben. Wie sollte man die Toten ziehen lassen, wenn so viel Schuld ungesühnt blieb? Sanna spürte das deutlich, egal, wie sorgsam ihre Mutter die Fassade schönte. Es wäre ehrlicher gewesen, sie hätte ein Museum aus Jannis’ Zimmer gemacht. Und hätte Sanna verstoßen. Sie konnte das alles nicht mehr ertragen. Die Verlogenheit ihrer Eltern. Die Dimension ihrer eigenen Schuld. Das war der eigentliche Grund, weshalb sie Berlin verlassen wollte.
    Zurück auf der Freitreppe hörte sie wieder die Stimmen aus dem Esszimmer. Gerade sprach ihre Mutter.
    »… natürlich habe ich Renate damals Geld gegeben«, sagte sie und stieß einen schweren Seufzer aus. »Herrgott, was hätte ich denn sonst tun sollen? Sie ist meine Schwester. Und allein hätte sie ihre Schulden niemals zurückzahlen können.«
    »Du warst zu weich, mein Schatz.« Das war ihr Vater. »Wenn Renate damals nicht so eigensinnig gewesen wäre, hätte sie niemals …«
    »Ach, hör auf. Sie gehört trotz allem zur Familie. Ganz egal, wie sie sich aufführt. Außerdem hast du ihr viel zu verdanken, vergiss das nicht. Wäre sie nicht gewesen …«
    »Lassen wir die alten Geschichten«, sagte ihr Vater schneidend. »Deine Schwester hätte beinahe alles ruiniert.«
    »Aber sie hat dich auch gerettet, Klaus. Ganz egal, was man ihr sonst vorwerfen kann. Du hast ihr etwas zu verdanken. Vergiss das nicht.«
    »Nun ja. Wollen wir hoffen, dass sie Sanna nicht zu sehr beeinflusst.«
    »Ich denke, wir sollten …«
    Weiter kam ihre Mutter nicht. Sanna ließ ihre Absätze laut über den Steinboden der Halle klackern. Keiner sollte auf die Idee kommen, sie hätte gelauscht. Als sie den Raum betrat, sahen die anderen auf und lächelten. Nur Vincent blickte schuldbewusst zu Boden. Das war aber auch das Mindeste, fand Sanna. Sie fragte sich, ob es häufiger vorkam, dass er an solchen konspirativen Gesprächen teilnahm.
    »Ich glaube, ich möchte jetzt nach Hause«, sagte sie. »Es ist schon spät, und ich bin furchtbar müde. Morgen muss ich pünktlich los.«
    Vincent half ihr in den Mantel. Es gab Umarmungen, Küsschen wurden verteilt. Der Abschied fiel ihr nicht schwer. Morgen war sie fort. Dann würde ein neues Leben beginnen.
    Sie waren bereits am Wagen, als ihr

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