Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
blieb unbewegt.
»Können Sie sich vorstellen, dass Volker mit Jakob Geld verdient hat?«, fragte er. »Dass er ihn an Freier verkauft hat? An Männer, die viel Geld dafür zahlen, um mit Kindern Sex zu haben? Oder an Pornoringe, die frisches Bildmaterial brauchen? Oder an …?«
»Ich weiß es nicht«, ging sie gequält dazwischen. »Hören Sie auf.«
»Das kann man sich gar nicht vorstellen, oder?«, meinte die Schulte. »Eltern, die ihre Kinder verkaufen. Das ist doch schrecklich. Wer tut so etwas?«
»Peter«, fuhr Böttger fort, »alias Falko Herbst, der war für so was verantwortlich. Das war seine Arbeit. Er suchte nach solchen Eltern. Er hatte Auftraggeber, die ihn dafür bezahlten. Und die Eltern waren seine sogenannten Geschäftspartner.«
»Er ist tot«, sagte die Schulte. »Wussten Sie das?«
Jetzt sah Beate Heitbrink auf. Ihre Augen waren vor Erstaunen geweitet. »Tot?«
»Er wurde bei seiner Festnahme getötet«, sagte Böttger. »Ein Schuss hat sich gelöst.«
Sie sah die beiden Kommissare lange an. Dann folgte ein bedächtiges Nicken. Eine kleine Geste, die viel bedeutete. Das ist gut, sagte dieses Nicken.
»Er hat jetzt keine Macht mehr«, fügte die Schulte hinzu. »Er kann keinem mehr Leid antun.«
Der Blick von Beate Heitbrink senkte sich wieder.
»Leute wie Falko Herbst«, sagte Böttger, »sie sind immer auf der Suche nach Kindern, die besondere Eltern haben. Eltern nämlich, die für ein bisschen Geld ihre Kinder anderen zur Verfügung stellen. Die sie wegbringen und wieder abholen, ihre Wunden versorgen, sie zum Schweigen bringen und notfalls Dinge vertuschen. Manche dieser Eltern sind selbst Täter. Sie stehen zum Beispiel mit den Kindern vor der Kamera und missbrauchen sie. Und Leute wie Falko Herbst verdienen damit Geld.«
Er holte zum nächsten Schlag aus. »Und wissen Sie, was die wertvollsten Kinder sind, Frau Heitbrink? Das sind die, die keiner vermisst. Die keine Schule und keinen Kindergarten besuchen. Die nirgendwo integriert sind. Die vielleicht nicht einmal gemeldet sind. Diese Kinder sind nämlich völlig schutzlos. Man kann sie einfach verschwinden lassen. Mit ihnen lässt sich alles anstellen. Jede Fantasie kann ausgelebt werden. Denn sie müssen das, was ihnen angetan wird, nicht überleben. Keiner wird nach ihnen fragen. Keiner wird sie vermissen. Diese Kinder bringen am meisten Geld.«
Beate Heitbrink war wie zu Stein erstarrt. Sie waren ganz nah dran. Noch ein winziger Stoß, und sie würde ihnen sagen, was sie wusste.
»Wissen Sie, was mich nachdenklich gemacht hat, Frau Heitbrink?«, sagte er. »Maike hatte keinerlei Verletzungen. Keine Hämatome, keine Wunden, keine analen oder vaginalen Spuren von Misshandlungen. Da waren auch keine inneren Verletzungen. Nichts, was auf Gewalteinwirkung hindeutete.«
»Wir haben nämlich schon vermutet, ein Freier hätte sie getötet«, sagte die Schulte so vorsichtig, wie es nur möglich war. »Aber inzwischen glauben wir das nicht mehr.«
Beate Heitbrink schien nicht einmal mehr zu atmen. Eine Träne rann über ihre Wange. Böttger und die Schulte wechselten einen Blick. Sie würden ihre letzte Karte ausspielen.
»Wir haben die Wohnung von Falko Herbst durchsucht«, sagte die Schulte. »Dabei haben wir etwas gefunden. Ein Foto von Maike.« Eine kleine Notlüge, doch das spielte keine Rolle. »Das wurde auf dem Hof geschossen. Maike sitzt da vorm Wohnwagen. Sie lacht in die Kamera. Wir haben uns gefragt, wozu Falko Herbst dieses Foto benötigt hat. Kann es sein, habe ich mich gefragt …« Sie holte Luft. »Kann es sein, dass er es seinen Kunden zeigen wollte? Damit sie sagen konnten, ob Maike ihnen gefällt?«
Weitere Tränen liefen an ihren Wangen herunter. Und dann war es so weit. Beate Heitbrink begann zu sprechen. Zuerst so leise, dass kaum ein Wort zu verstehen war.
»Er hat versprochen, dass Maike nichts passiert«, sagte sie. »Bei ihr sollte es nicht wie bei Jakob laufen. Volker hat gesagt, sie bleibt bei mir.«
»Aber dann hat er es sich anders überlegt?«
Beate Heitbrink brachte nur ein Nicken zustande. Jetzt ließ sie die Tränen laufen.
»Sie sollte verkauft werden, richtig?«, fragte die Schulte. »An jemanden, der bereit war, sehr viel Geld für sie zu bezahlen.«
Beate Heitbrink sah verloren zu ihr auf. »Ich konnte sie doch nicht einfach gehen lassen«, flüsterte sie. »Ich war ihre Mama. Das ist doch was Wichtiges. Ich musste sie beschützen.«
Die Schulte lächelte mitfühlend. Dann fuhr
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