Schlaflos in Seoul
Rücken abreiben durfte. Mehrere Ajummas traktierten sie mit Peelingtüchern.
Berangères Mutter ließ alles geduldig über sich ergehen und traute sich nicht, den Ajummas zu sagen, dass ihr das aufgezwungene
Körperpeeling eigentlich alles andere als angenehm war. Irgendwann war ihr Rücken so rot, dass Berangère eingriff und zu den
Ajummas auf Koreanisch sagte: »Genug jetzt!«
Mir bot niemand ein Körperpeeling an. Entweder war ich den |159| Ajummas nicht sympathisch oder meine Haut war nicht weiß genug. Wer niemanden findet, der einem den Rücken abreiben möchte,
kann bei den Badehaus-Ajummas ein bezahltes Peeling oder eine Massage bekommen. Die Badehaus-Ajummas lassen sich ganz leicht
von den Besucherinnen unterscheiden, weil sie die Einzigen sind, die in den Baderäumen halbbekleidet sein dürfen: Sie tragen
– meist schwarze – Unterhosen und BHs. Da der Begriff »Ajumma« ein schon etwas fortgeschrittenes Alter andeutet, ist der Anblick
dieser Damen in Unterhosen und BHs oft nicht unbedingt erfreulich. Warum sie nicht einfach Badeanzüge oder etwas anderes tragen,
das etwas mehr Haut bedeckt, ist mir immer noch ein Rätsel. Ich spielte mit dem Gedanken, mich massieren oder peelen zu lassen.
Dann fiel mir aber ein, dass ich kein Geld dabei hatte, weil ich alles in dem Schließfach in der Umkleidekabine deponiert
hatte.
Vielleicht war es auch besser so. Meine Freundin Annabelle erzählte mir später ihre Negativerfahrungen bei einem Körperpeeling
im Badehaus. Die Ajumma machte sich mit Feuereifer an die Arbeit, rubbelte Annabelles Rücken kräftig ab. Irgendwann entdeckte
sie einen großen, dunklen Leberfleck. Koreaner halten Leberflecke prinzipiell für etwas Hässliches, das auf jeden Fall entfernt
werden muss. Offenbar war die Ajumma der Meinung, dass es möglich sei, den Leberfleck einfach wegzureiben oder abzuschaben.
Was sie mit aller Kraft versuchte, bis der Leberfleck anfing zu bluten.
Als ich die Geschichte hörte, konnte ich Annabelles Empörung verstehen – vor allem, weil es nicht ungefährlich ist, einen
Leberfleck zu verletzen. Trotzdem schüttete ich mich aus vor Lachen, weil die Geschichte drei Elemente enthielt, die ich in
Korea besonders amüsant oder irritierend fand: den koreanischen Übereifer, die nicht nachvollziehbare Abscheu vor Leberflecken
und die völlige Ignoranz gegenüber biologischen Gegebenheiten, die bei vielen Koreanern zu beobachten ist.
Ich ließ also die Massagen und die Peelings aus und probierte |160| die beiden Saunaräume aus. Der eine Raum war eine normale Dampfsauna, im zweiten Raum kam Wasser wie ein leichter Sprühregen
von der Decke. Ich setzte mich auf die Bank und ließ mich langsam nass regnen. Eine andere Frau saß mit dem Rücken zu mir
im Schneidersitz auf einer Bank und las ein Buch. Das Papier war von den Wassertropfen aufgeweicht und leicht gewellt.
Um das Angebot des Badehauses voll auszunutzen, badete ich noch einmal im kalten und im heißen Wasser und auch im grünen Tee.
In der Umkleidekabine konnte man auf einer Waage kostenlos sein Gewicht überprüfen. Drei Frauen stiegen nacheinander auf die
Waage und hatten alle drei den gleichen unzufriedenen Gesichtsausdruck, obwohl sie sehr schlank waren. Das Badehaus stellte
auch verschiedene Cremes, Bodylotions und einen Fön zur freien Verfügung. Über dem Fön war ein Schild angebracht: »Bitte nur
für Kopfhaar benutzen!« Ich fand den Hinweis komisch und erzählte später Sheila davon. Sie erklärte mir, was es damit auf
sich hatte: »Sie nehmen manchmal den Fön, der für die Allgemeinheit gedacht ist, und fönen sich damit zwischen den Beinen!«
Ich war verdutzt. Sheila fuhr fort: »Die Koreanerinnen im Badehaus oder im Fitnessclub machen manchmal Sachen in der Öffentlichkeit,
die ich nicht mal zu Hause machen würde!«
Ich war verblüfft über die Erkenntnis, dass die sonst eher prüden Koreanerinnen an einem Ort, an dem Nacktsein erlaubt war,
auf einmal wie ausgewechselt waren. In Korea gilt ein entblößter Busen als das Anstößigste, was man sich vorstellen kann.
Selbst im heißesten Sommer würde sich kaum eine Koreanerin ohne BH vor die Tür wagen. Die meisten BHs, die man in Korea zu
kaufen bekommt, sind dick gepolstert. Zuerst vermutete ich, dass viele Koreanerinnen einfach einige Zentimeter Brustumfang
dazumogeln wollten – bis mir klar wurde, dass sie die gepolsterten BHs vor allem deswegen trugen, weil sie panische
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