Schlaflos - Insomnia
der frühmorgendliche Streuner der Harris Avenue, müde hinter seiner schreienden Frau saß. Es war, als wäre der Hund durch den Gedanken herbeibeschworen worden. Rosalie war ebenfalls von einer schmutzigen schwarzen Aura umgeben, stellte er fest. Sie hielt Bill McGoverns verschwundenen Panamahut zwischen den Pfoten, der aussah, als hätte sie kräftig darauf herumgekaut, seit er in ihren Besitz gelangt war.
Dahin ist der verfluchte Hut also verschwunden, dachte Ralph, drehte sich wieder zu Carolyn um und fing noch schneller an zu graben. Bis jetzt war es ihm nicht gelungen, auch nur eine Schulter freizulegen.
Kümmere dich nicht um mich!, schrie Carolyn ihn an. Ich bin schon tot, weißt du nicht mehr? Achte auf die Fährten des weißen Mannes, Ralph! Die …
Eine Welle, glasig grün unten, oben mit weißem Schaum gekrönt, brach keine zehn Fuß entfernt am Strand. Sie strömte über den Sand auf sie zu, gefror Ralphs Hoden mit kaltem Wasser und begrub Carolyns Kopf vorübergehend unter einer Flutwelle sandigen Schaums. Als das Wasser zurückging, stieß Ralph selbst einen von Grauen erfüllten Schrei zum gleichgültig blauen Himmel aus. Die
Welle hatte in Sekunden geschafft, wozu die Bestrahlungen fast einen Monat gebraucht hatten; sie hatte ihr das Haar genommen und sie kahl zurückgelassen. Und ihr Kopf blähte sich an der Stelle auf, wo die schwarze Ballonschnur befestigt war.
Carolyn, nein!, heulte er und grub noch schneller. Der Sand war jetzt nass und unangenehm schwer.
Vergiss es, sagte sie. Grauschwarze Wölkchen kamen bei jedem Wort aus ihrem Mund wie schmutziger Rauch aus einem Industrieschlot. Es ist nur der Tumor, und der ist inoperabel, also hab keine schlaflosen Nächte wegen diesem Teil der Vorstellung. Zum Teufel, es ist ein langer Weg zurück ins Paradies, also hör auf, dich über Kleinigkeiten aufzuregen, richtig? Aber du musst nach diesen Fährten Ausschau halten …
Carolyn, ich weiß nicht, wovon du sprichst!
Eine weitere Welle kam, durchnässte Ralph bis zur Taille und begrub Carolyn wieder unter sich. Als die Welle zurückwich, platzte die Schwellung auf Carolyns Kopf allmählich auf.
Das wirst du bald genug herausfinden, antwortete Carolyn, und dann barst die Schwellung auf ihrem Kopf mit einem Geräusch, als hätte ein Hammer auf ein Stück Fleisch geschlagen. Ein Blutschwall spritzte in die kalte, nach Salz riechende Luft, und plötzlich strömte ein Schwarm schwarzer Käfer so groß wie Kakerlaken aus ihrem Inneren. Ralph hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen - nicht einmal in einem Traum -, sie erfüllten ihn mit fast hysterischem Abscheu. Er wäre geflohen, trotz Carolyn, aber er war erstarrt, so betäubt, dass er nicht einmal einen Finger rühren, geschweige denn aufstehen und weglaufen konnte.
Einige der Käfer liefen durch den schreienden Mund in Carolyn zurück, aber die meisten wuselten über die Wangen und Schultern auf den nassen Sand. Dabei betrachteten sie Ralph unablässig mit ihren vorwurfsvollen seltsamen Augen. Das ist alles deine Schuld, schienen die Augen zu sagen. Du hättest sie retten können, Ralph, und ein besserer Mann hätte sie gerettet.
Carolyn!, schrie er. Er streckte die Hände nach ihr aus, aber dann zog er sie zurück, weil die schwarzen Käfer, die immer noch aus ihrem Kopf quollen, ihm Angst einjagten. Hinter ihr saß Rosalie in ihrer eigenen kleinen dunklen Hülle, sah ihn ernst an und hielt McGoverns verlegten Chapeau im Maul.
Eines von Carolyns Augen ploppte heraus und fiel wie ein Tropfen Blaubeergelee in den nassen Sand. Käfer ergossen sich wie Erbrochenes aus der leeren Augenhöhle.
Carolyn!, schrie er. Carolyn! Carolyn! Car…
2
»…olyn! Carolyn! Car…«
Plötzlich, in dem Augenblick, als ihm klar wurde, dass der Traum vorbei war, fiel Ralph. Er registrierte die Tatsache praktisch erst, als er auf dem Schlafzimmerboden landete. Es gelang ihm, seinen Sturz mit einer ausgestreckten Hand abzufangen, womit er wahrscheinlich vermied, sich schlimm den Kopf anzustoßen, was aber dafür einen heftigen Schmerz unter dem Verband an der linken Seite auslöste. Einen Augenblick lang nahm er den Schmerz jedoch kaum wahr. Er verspürte Angst, Ekel, einen schrecklichen,
schmerzhaften Kummer … am meisten aber ein überwältigendes Gefühl der Dankbarkeit. Der böse Traum - sicherlich der schlimmste Albtraum, den er je gehabt hatte - war vorbei, und er befand sich wieder in der realen Welt.
Er zog das weitgehend aufgeknöpfte Pyjamaoberteil
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