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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Unter den Umständen schien Zauberei wahrscheinlicher zu sein. Denn …
    »Denn stellt euch vor«, sagte Ralph mit leiser Stimme, während er mechanisch den Krimskrams auf dem Fernseher wieder in den Taschen verstaute, »er hat nicht nur gewusst, dass ich das Zeug brauchen würde, er hat auch gewusst, wo er es finden konnte und wo er es verstauen musste .«
    Bei diesem Gedanken lief ihm ein kalter Schauer in Zickzack-Linien über den Rücken, und sein Verstand versuchte, die ganze Angelegenheit herunterzuspielen - sie als
Wahnsinn zu bezeichnen, als unlogisch, als genau das, was sich ein Mann mit Schlaflosigkeit Güteklasse A ausdenken würde. Das mochte zwar so sein. Aber das erklärte nicht das Stück Papier, oder?
    Er betrachtete wieder die gekritzelten Worte auf dem linierten blauen Blatt - Was ich auch tue, ich tue es rasch, damit ich etwas anderes tun kann . Dies war ebenso wenig seine Handschrift, wie Cemetery Nights sein Buch war.
    »Aber jetzt ist es meins; Dor hat es mir gegeben«, sagte Ralph, und der kalte Schauer fuhr ihm wieder über den Rücken, unregelmäßig wie ein Sprung in einer Windschutzscheibe.
    Was für eine andere Erklärung fällt dir ein? Diese Dose ist nicht von selbst in deine Tasche geflogen. Und das Stück Notizpapier auch nicht.
    Das Gefühl, als würde er von unsichtbaren Händen auf den klaffenden Schlund eines dunklen Tunnels zugeschoben werden, hatte sich wieder eingestellt. Ralph kam sich wie ein Mann in einem Traum vor, während er zur Küche zurückkehrte. Unterwegs schlüpfte er aus der grauen Jacke und warf sie unwillkürlich über die Couchlehne. Er blieb eine Zeit lang im Türrahmen stehen und betrachtete starr den Kalender mit dem Bild zweier lachender Jungs, die eine Kürbislaterne schnitzten. Betrachtete das morgige Datum, das eingekreist war.
    Du sollst den Termin bei dem Nadelpikser absagen, hatte Dorrance gesagt; das war die Botschaft, und heute hatte der Messerstecher sie mehr oder weniger bekräftigt. Verdammt, er hatte sie in Neonbuchstaben wiederholt.
    Ralph suchte eine Nummer in den Gelben Seiten und wählte sie.

    »Dies ist die Praxis von Dr. James Roy Hong«, informierte ihn eine angenehme Frauenstimme. »Im Augenblick können wir Ihren Anruf leider nicht persönlich entgegennehmen, daher hinterlassen Sie bitte eine Nachricht nach dem Pfeifton. Wir rufen Sie schnellstmöglich zurück.«
    Der Anrufbeantworter piepste. Mit einer Stimme, deren Festigkeit ihn überraschte, sagte Ralph: »Hier spricht Ralph Roberts. Ich habe morgen früh um zehn Uhr einen Termin. Es tut mir leid, aber ich werde ihn nicht wahrnehmen können. Es ist mir etwas dazwischengekommen. Vielen Dank.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Selbstverständlich werde ich für die Kosten aufkommen.«
    Er schloss die Augen und legte den Hörer wieder auf die Gabel. Dann presste er die Stirn an die Wand.
    Was machst du, Ralph? Was, in Gottes Namen, machst du da?
    »Es ist ein langer Weg zurück ins Paradies, Liebling.«
    Du kannst doch nicht allen Ernstes denken, was du da denkst … oder?
    »… ein langer Weg, also hör auf, dich über Kleinigkeiten aufzuregen.«
    Was genau denkst du denn, Ralph?
    Er wusste es nicht, er hatte nicht die geringste Vorstellung. Etwas über Schicksal, nahm er an, und Begegnung in Samarra . Das Einzige, was er mit Sicherheit wusste, war, dass Kreise des Schmerzes von dem kleinen Loch in seiner linken Seite ausgingen, dem Loch, das der Messerstecher gemacht hatte. Der Notarzt hatte ihm ein halbes Dutzend Schmerztabletten gegeben, und er vermutete, er sollte eine nehmen, aber im Augenblick war er zu müde, um zur Spüle
zu gehen und sich ein Glas Wasser zu holen … und wenn er zu müde war, durch ein beschissenes kleines Zimmer zu gehen, wie zur Hölle sollte er dann den langen Weg zurück ins Paradies bewerkstelligen?
    Ralph wusste es nicht, und im Augenblick war es ihm auch egal. Er wollte nur stehen bleiben, wo er war, die Stirn an die Wand pressen und die Augen geschlossen halten, damit er überhaupt nichts ansehen musste.

Kapitel 8

1
    Der Strand war ein langes weißes Band und glich ein wenig dem Aufblitzen eines weißen Seidenslips am Saum des schimmernden blauen Meeres; er war vollkommen verlassen, abgesehen von einem runden Gegenstand etwa siebzig Schritte entfernt. Dieser runde Gegenstand war etwa so groß wie ein Basketball und erfüllte Ralph mit einer Angst, die ebenso tief verwurzelt wie - jedenfalls im Augenblick - grundlos war.
    Geh nicht in die Nähe

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