Schlaflos - Insomnia
Ralphs Panik. Sein Herz schlug langsamer, und das Gefühl, schreien zu müssen, ließ nach.
Ralph atmete weiter tief durch und dachte
(Apfel Birne Stück Zitronentorte)
an Nahrungsmittel, während er vorsichtig die Schutzkappen wieder auf das Fernglas drückte. Seine Hände zitterten immer noch, aber nicht so sehr, dass er sie nicht benutzen konnte. Als das Fernglas wieder in seinem Etui verstaut war, hob Ralph zaghaft den linken Arm und betrachtete den Verband. In der Mitte befand sich ein roter Fleck so groß wie eine Aspirintablette, aber der schien nicht größer zu werden. Gut.
Es ist überhaupt nicht gut, Ralph.
Richtig, aber das würde ihm nicht bei der Klärung helfen, was genau geschehen war und was er deswegen unternehmen sollte. Der erste Schritt bestand darin, den grässlichen Traum von Carolyn vorerst zu verdrängen und sich darüber klar zu werden, was sich tatsächlich zugetragen hatte.
»Ich bin wach, seit ich auf den Boden gefallen bin«, sagte Ralph in das verlassene Zimmer. »Das weiß ich, und ich weiß, dass ich diese Männer gesehen habe.«
Ja. Er hatte sie wirklich gesehen, ebenso die grün-goldenen Auren, die sie umgaben. Und damit war er nicht allein; Ed Deepneau hatte ebenfalls mindestens einen von ihnen gesehen. Ralph hätte seine Farm darauf gewettet, hätte er eine Farm zum Verwetten besessen. Es war freilich nicht sehr beruhigend, dass ein Paranoider aus der Nachbarschaft, der seine Ehefrau verprügelte, dieselben kleinen kahlen Typen sah.
Und die Auren, Ralph - hat er nicht auch etwas von Auren gesagt?
Nun, er hatte nicht gerade dieses Wort benutzt, aber Ralph war sich ziemlich sicher, dass er trotzdem mindestens
zweimal von den Auren gesprochen hatte. Ralph, manchmal ist die Welt voller Farben. Das war im August gewesen, kurz bevor John Leydecker Ed wegen häuslicher Gewalt verhaftet hatte, einer Ordnungswidrigkeit. Dann, fast einen Monat später, als er Ralph angerufen hatte: Siehst du die Farben schon?
Zuerst die Farben, jetzt die kleinen kahlköpfigen Ärzte; mit Sicherheit konnte der Scharlachrote König nicht mehr weit sein. Und von alledem einmal abgesehen, was wollte er in der Sache unternehmen, deren Zeuge er gerade geworden war?
Die Antwort fiel ihm in einem unerwarteten, aber willkommenen Anflug von Erleuchtung ein. Es ging hier nicht um seinen Geisteszustand, dachte er, nicht um die Auren, nicht um die kleinen kahlköpfigen Ärzte, sondern um May Locher. Er hatte gerade zwei Fremde mitten in der Nacht aus Mrs. Lochers Haus kommen gesehen … und einer von ihnen hatte eine potenziell tödliche Waffe in der Hand gehabt.
Ralph griff mit der Hand an dem Fernglasetui vorbei, nahm das Telefon und wählte 911.
5
»Hier spricht Officer Hagen.« Eine Frauenstimme. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Indem Sie genau zuhören und rasch handeln«, sagte Ralph kurz angebunden. Der Ausdruck benommener Unentschlossenheit, den er seit Mitte des Sommers so häufig zur Schau gestellt hatte, war jetzt völlig verschwunden; er
saß aufrecht in seinem Ohrensessel, hatte das Telefon auf dem Schoß, und sah nicht mehr wie siebzig aus, sondern wie ein gesunder und kräftiger Fünfundfünfzigjähriger. »Dann können Sie vielleicht einer Frau das Leben retten.«
»Sir, würden Sie mir bitte Ihren Namen und …«
»Bitte unterbrechen Sie mich nicht, Officer Hagen«, sagte der Mann, der sich nicht mehr an die letzten vier Ziffern der Telefonnummer des Derry Kino-Centers erinnern konnte. »Ich bin vor kurzer Zeit aufgewacht, konnte nicht mehr einschlafen und beschloss, eine Weile aufzubleiben. Von meinem Wohnzimmer aus kann ich den oberen Abschnitt der Harris Avenue überblicken. Ich habe gerade gesehen …«
Hier geriet Ralph einen Sekundenbruchteil ins Stocken, dachte aber nicht darüber nach, was er gesehen hatte, sondern was er Officer Hagen erzählen sollte, dass er gesehen hatte. Die Antwort kam ihm so schnell und mühelos wie der Entschluss, 911 anzurufen.
»Ich habe zwei Männer gesehen, die aus einem Haus auf der Straßenseite des Red Apple Ladens gekommen sind. Es gehört einer Frau namens May Locher. Ich buchstabiere: L-O-C-H-E-R, mit einem L wie Lexington. Mrs. Locher ist schwer krank. Ich habe die beiden Männer vorher noch nie gesehen.« Er machte wieder eine Pause, diesmal jedoch absichtlich, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. »Einer hatte eine Schere in der Hand.«
»Adresse?«, fragte Officer Hagen. Sie war vollkommen ruhig, aber Ralph spürte, dass eine
Weitere Kostenlose Bücher