Schlaflos - Insomnia
Menge Lämpchen bei ihr angegangen waren.
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Schlagen Sie sie im Telefonbuch nach, Officer Hagen, oder sagen Sie den Einsatzbeamten,
sie sollen einfach nach dem gelben Haus mit den rosa Verzierungen etwa einen halben Block vom Red Apple entfernt Ausschau halten. Wahrscheinlich müssen sie es mit einer Taschenlampe suchen, wegen dieser verfluchten orangefarbenen Straßenlaternen, aber sie werden es finden.«
»Ja, Sir, dessen bin ich mir sicher, aber ich brauche trotzdem Ihren Namen und Ihre Anschrift für unsere Unterla…«
Ralph legte den Hörer behutsam auf. Er betrachtete das Telefon fast eine ganze Minute und rechnete damit, dass es läuten würde. Als es stumm blieb, kam er zum Ergebnis, dass sie entweder nicht über die raffinierten Geräte verfügten, mit denen man einen Telefonanruf zurückverfolgen konnte, wie man sie in Sendungen über wahre Verbrechen im Fernsehen immer sah, oder sie waren nicht eingeschaltet gewesen. Das war gut. Es löste nicht das Problem, was er tun oder sagen sollte, wenn sie May Locher in Fetzen aus ihrem scheußlichen gelb-rosa Haus schleppten, aber es verschaffte ihm wenigstens etwas mehr Zeit zum Nachdenken.
Unter ihm blieb die Harris Avenue still und stumm im Licht der grellen Lampen, die sich in beide Richtungen erstreckten wie der Traum eines Surrealisten von Perspektive. Das Schauspiel - kurz, aber voller Dramatik - schien vorbei zu sein. Die Bühne war wieder verlassen. Sie …
Nein, doch nicht ganz verlassen. Rosalie kam aus der Gasse zwischen dem Red Apple und dem Tru-Value-Eisenwarenladen daneben herausgehinkt. Das verblasste Taschentuch flatterte um ihren Hals. Es war kein Donnerstag, daher standen keine Mülltonnen draußen, die Rosalie untersuchen
konnte, und so ging sie rasch den Bürgersteig entlang bis zu May Lochers Haus. Dort blieb sie stehen und senkte die Nase (wenn er die lange und hübsche Schnauze sah, hatte Ralph gelegentlich gedacht, dass sich ein Collie unter Rosalies Vorfahren befunden haben musste).
Dort schimmerte etwas, erkannte Ralph.
Er holte das Fernglas wieder aus der Hülle und richtete es auf Rosalie. Dabei schweiften seine Gedanken wieder zum zehnten September ab - diesmal zum Treffen mit Bill und Lois vor dem Eingang des Strawford-Parks. Er erinnerte sich, wie Bill Lois den Arm um die Taille gelegt und sie die Straße entlanggeführt hatte; wie Ralph, als er die beiden zusammen sah, an Ginger Rogers und Fred Astaire hatte denken müssen. Am deutlichsten aber erinnerte er sich an die gespenstischen Spuren, die die beiden hinterlassen hatten. Die von Lois waren grau gewesen; die von Bill olivgrün. Damals hatte er sie für Halluzinationen gehalten - in der guten alten Zeit, bevor er die Aufmerksamkeit von Irren wie Charlie Pickering auf sich gezogen und mitten in der Nacht kleine kahlköpfige Ärzte gesehen hatte.
Rosalie schnupperte an einer ähnlichen Fährte. Sie hatte dieselbe grün-goldene Farbe wie die Auren, die Doc Nr. 1 und Doc Nr. 2 umgeben hatten. Ralph schwenkte das Fernglas langsam von dem Hund weg und sah weitere Spuren, zwei Linien, die in Richtung des Parks den Bürgersteig entlangführten. Sie verblassten - er konnte fast sehen, wie sie vor seinen Augen verblassten, aber sie waren da.
Ralph richtete das Fernglas wieder auf Rosalie und verspürte plötzlich eine ungeheure Zuneigung zu dem räudigen alten Streuner … warum auch nicht? Wenn er einen letzten, endgültigen Beweis gebraucht hätte, dass er tatsächlich
gesehen hatte, was er gesehen zu haben glaubte , dann hatte Rosalie diesen geliefert.
Wenn die kleine Natalie hier wäre, würde sie sie auch sehen, dachte Ralph … Und dann bestürmten ihn wieder sämtliche Zweifel. Würde sie sie sehen? Wirklich? Er hatte geglaubt, das Baby nach den schwachen Auren greifen zu sehen, die seine Finger hinterließen, und er war sich sicher, sie hatte den geisterhaften grünen Dunst bestaunt, der von den Blumen in der Küche aufgestiegen war, aber konnte er sich überhaupt sicher sein? Wie konnte überhaupt jemand mit Sicherheit wissen, was ein Baby sah oder anzufassen versuchte?
Aber, Rosalie … schau doch, da unten, siehst du sie?
Das Problem war nur, überlegte Ralph, er hatte die Spuren erst gesehen, nachdem Rosalie angefangen hatte, auf dem Bürgersteig zu schnuppern. Vielleicht schnupperte sie ja an einen leckeren Hauch, der ein Überbleibsel des Briefträgers war, und sein übermüdeter, schlafloser Geist gaukelte ihm lediglich vor,
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