Schlaflos - Insomnia
Bürgersteig, wie bei einem Tanzdiagramm von Arthur Murray? Dem silbernen Dunst um Joe Wyzers Fingerspitzen? Wirst du wirklich Litchfield davon erzählen? Und wenn nicht, wenn du es nicht kannst , warum gehst du dann überhaupt zu ihm, ganz egal, was dieser Mann empfiehlt?
Wyzer überraschte ihn jedoch, indem er eine völlig andere Richtung einschlug. »Träumen Sie noch?«
»Ja. Sogar ziemlich oft, wenn man bedenkt, dass ich bei drei Stunden Schlaf pro Nacht angelangt bin.«
»Sind das zusammenhängende Träume - Träume, die aus vorstellbaren Ereignissen bestehen und eine Art Erzählfluss haben, wie weit hergeholt er auch sein mag - oder sind es nur zusammenhanglose Bilder?«
Ralph erinnerte sich an einen Traum, den er in der Nacht zuvor gehabt hatte. Er und Helen Deepneau und Bill McGovern hatten mitten auf der Harris Avenue zu dritt Frisbee gespielt. Helen hatte ein paar riesige, unbeholfene Gamaschenschuhe getragen; McGovern trug ein Sweatshirt mit einer Wodkaflasche darauf. ABSOLUT-LY THE BEST, verkündete das Sweatshirt. Das Frisbee war grellrot mit grünen Leuchtstreifen gewesen. Dann hatte sich die Hündin Rosalie sehen lassen. Das verblichene blaue Taschentuch, das ihr jemand um den Hals gebunden hatte, flatterte deutlich, als sie sich ihnen hinkend näherte. Plötzlich sprang sie in die Luft, schnappte das Frisbee und lief mit ihm im Maul davon. Ralph wollte sie verfolgen, aber McGovern sagte: Ganz ruhig, Ralph, wir bekommen eine ganze Kiste davon zu Weihnachten. Ralph wollte sich zu ihm umdrehen, darauf hinweisen, dass es bis Weihnachten noch drei Monate hin war, und fragen, was sie zum Teufel
bis dahin machen sollten, wenn sie wieder mal Frisbee spielen wollten, aber bevor er es konnte, war der Traum entweder zu Ende gewesen oder in einen anderen, nicht mehr so lebhaften geistigen Film übergegangen.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, antwortete Ralph, »sind meine Träume zusammenhängend.«
»Gut. Ich möchte auch noch wissen, ob es luzide Träume sind. Luzide Träume erfüllen zwei Voraussetzungen. Erstens, man ist sich bewusst, dass man träumt. Zweitens, man kann häufig den Verlauf beeinflussen, den der Traum nimmt - man ist mehr als nur ein passiver Beobachter.«
Ralph nickte. »Klar, die habe ich auch. Tatsächlich scheine ich in letzter Zeit eine ganze Menge davon zu haben. Ich musste gerade an einen denken, den ich letzte Nacht hatte. Darin ist eine streunende Hündin, die ich ab und zu auf der Straße sehe, mit einem Frisbee davongelaufen, mit dem Freunde von mir und ich gespielt hatten. Ich war wütend, weil sie das Spiel unterbrochen hatte, und wollte sie dazu bringen, das Frisbee fallen zu lassen, indem ich ihr einfach den Gedanken hinterherschickte. Eine Art telepathischen Befehl, verstehen Sie?«
Er stieß ein leises, verlegenes Kichern aus, aber Wyzer nickte nur nüchtern. »Hat es funktioniert?«
»Diesmal nicht«, sagte Ralph. »Aber ich glaube, in anderen Träumen ist es mir schon gelungen. Aber sicher bin ich mir nicht, denn die meisten Träume scheinen gleich nach dem Aufwachen zu verschwinden.«
»Das ist bei allen so«, sagte Wyzer. »Das Gehirn behandelt Träume meist als Abfallprodukte, die im Ultrakurzzeitgedächtnis gespeichert werden.«
»Sie wissen eine Menge darüber, was?«
»Schlaflosigkeit interessiert mich sehr. Als ich am College war, habe ich zwei Forschungsarbeiten über den Zusammenhang zwischen Träumen und Schlafstörungen gemacht.« Wyzer sah auf die Uhr. »Ich habe jetzt Pause. Möchten Sie mir gern bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Apfelkuchen Gesellschaft leisten? Es gibt ein Café gleich zwei Türen weiter, und der Kuchen ist fantastisch.«
»Hört sich gut an, aber ich begnüge mich mit einer Orangenlimo. Ich versuche, meinen Kaffeekonsum einzuschränken.«
»Verständlich, aber vollkommen nutzlos«, sagte Wyzer fröhlich. »Koffein ist nicht Ihr Problem, Ralph.«
»Nein, wahrscheinlich nicht … aber was dann?« Bis zu diesem Punkt war es Ralph erfolgreich gelungen, das Leid aus seiner Stimme herauszuhalten, aber jetzt stahl es sich wieder hinein.
Wyzer klopfte ihm auf die Schulter und sah ihn freundlich an. »Darüber«, sagte er, »werden wir uns jetzt unterhalten. Kommen Sie.«
Kapitel 5
1
»Betrachten Sie es einmal auf diese Weise«, empfahl Wyzer fünf Minuten später. Sie befanden sich in einer Art New-Age-Imbiss namens Day Break, Sun Down. Das Innere war ein wenig zu grün für Ralphs Geschmack, der eher für
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