Schlagschatten
Aber in seinem Fall ist der Name falsch, aus einem Wunschdenken entstanden. Sein wirklicher Name ist Markham. Er wurde gebrandmarkt durch die Vergangenheit und dagegen lässt sich nichts mehr tun. Etwas geschieht, denkt Blue, und dann geschieht es immer wieder. Es kann nie geändert werden, kann nie mehr anders sein. Dieser Gedanke beginnt Blue zu verfolgen, denn er sieht ihn als eine Art Warnung, eine Botschaft, die aus seinem Inneren kommt, und so sehr er versucht, ihn beiseite zu schieben, die Dunkelheit dieses Gedankens verlässt ihn nicht.
Eines Abends schlägt Blue daher schließlich sein Buch Walden auf. Die Zeit ist gekommen, sagt er sich, und wenn er jetzt nicht eine Anstrengung unternimmt, wird er es nie tun, das weiß er. Aber der Text ist nicht einfach. Als Blue zu lesen beginnt, hat er das Gefühl, eine fremde Welt zu betreten. Er stapft durch Sümpfe und Dornengestrüpp und klettert düstere Geröllhalden und tückische Felsen hinauf, er fühlt sich wie ein Gefangener auf einem Gewaltmarsch, und sein einziger Gedanke ist zu fliehen. Thoreaus Worte langweilen ihn, und es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren. Ganze Kapitel ziehen vorbei, und als er an ihrem Ende angekommen ist, stellt er fest, dass er nichts behalten hat. Warum sollte jemand fortgehen und allein in den Wäldern leben? Was bedeutet das alles: Bohnen säen und keinen Kaffee trinken und kein Fleisch essen? Warum all diese endlosen Beschreibungen von Vögeln? Blue dachte, er bekäme eine Geschichte erzählt oder zumindest so etwas Ähnliches wie eine Geschichte, aber das ist nicht mehr als Geschwätz, eine endlose Tirade über nichts.
Es wäre jedoch unfair, ihm Vorwürfe zu machen. Blue hat nie viel gelesen außer Zeitungen und Zeitschriften und gelegentlich einen Abenteuerroman, als er noch ein Junge war. Man weiß, dass sogar erfahrene und kultivierte Leser Schwierigkeiten mit Walden haben, und kein Geringerer als Emerson schrieb einmal in seinem Tagebuch, dass es ihn nervös und elend stimmte, Thoreau zu lesen. Man muss es Blue hoch anrechnen, dass er nicht aufgibt. Am nächsten Tag beginnt er von neuem, und dieser zweite Durchgang ist etwas weniger steinig als der erste. Im dritten Kapitel stößt er auf einen Satz, der ihm endlich etwas sagt – Bücher müssen ebenso bedächtig und zurückhaltend gelesen werden, wie sie geschrieben wurden –, und plötzlich versteht er, dass der Trick darin besteht, langsam voranzugehen, langsamer, als er je mit Worten umgegangen ist. Das hilft in einem gewissen Maße, und manche Abschnitte beginnen klar zu werden: die Sache mit den Kleidern am Anfang, der Kampf zwischen den roten Ameisen und den schwarzen Ameisen, die Argumente gegen die Arbeit. Aber Blue findet die Lektüre noch immer mühsam, und obwohl er widerwillig zugibt, dass Thoreau vielleicht doch nicht so dumm ist, wie er dachte, nimmt er es Black übel, dass er ihm diese Tortur auferlegt hat. Was er nicht weiß, ist, dass, wenn er die Geduld aufbrächte, das Buch in dem Geiste zu lesen, in dem es gelesen werden muss, sein ganzes Leben sich verändern würde, und dass er nach und nach seine Lage voll verstehen würde – das heißt Black, White, den Fall und alles, was ihn selbst betrifft. Aber verpasste Gelegenheiten sind ebenso sehr ein Teil des Lebens wie genutzte Gelegenheiten, und eine Geschichte kann nicht bei dem verweilen, was hätte sein können. Blue wirft das Buch angewidert beiseite, zieht seinen Mantel an (denn es ist jetzt Herbst) und geht aus, um Luft zu schnappen. Er ahnt nicht, dass dies der Anfang vom Ende ist. Denn gleich wird etwas geschehen, und sobald es geschieht, wird nichts mehr jemals wieder dasselbe sein.
Er geht nach Manhattan, entfernt sich weiter von Black als je zuvor, macht seiner Enttäuschung durch Bewegung Luft und hofft, sich zu beruhigen, indem er seinen Körper erschöpft. Er geht nach Norden, allein mit seinen Gedanken, und macht sich nicht die Mühe, die Dinge um ihn herum wahrzunehmen. In der East 26th Street geht sein linker Schnürsenkel auf, und als er sich bückt, um ihn wieder zuzubinden, und ein Knie auf den Boden gesetzt hat, fällt ihm der Himmel auf den Kopf. Denn gerade in diesem Augenblick sieht er niemand anderen als die zukünftige Mrs. Blue. Sie kommt die Straße herauf und hat beide Arme in den rechten Arm eines Mannes eingehängt, den Blue nie zuvor gesehen hat, und sie lächelt strahlend, ganz in Anspruch genommen von dem, was der Mann zu ihr sagt. Blue ist so fassungslos,
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