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Schlagschatten

Schlagschatten

Titel: Schlagschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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gefallene Engel, Schwarze Natter, Jagd nach Millionen, Reite auf dem rosa Pferd, Hoffnungslos und so weiter. Doch für Blue gibt es einen Film, der sich vor allen anderen auszeichnet, und er gefällt ihm so gut, dass er am nächsten Abend wieder ins Kino geht, um ihn noch einmal zu sehen.
    Er heißt Goldenes Gift, und die Hauptrolle spielt Robert Mitchum als ehemaliger Privatdetektiv, der versucht, sich in einer kleinen Stadt unter einem anderen Namen ein neues Leben aufzubauen. Er hat eine Freundin, ein süßes Mädchen vom Lande namens Ann, und betreibt eine Tankstelle mit Hilfe eines taubstummen Jungen, Jimmy, der ihm treu ergeben ist. Aber die Vergangenheit holt Mitchum ein, und er kann kaum etwas dagegen tun. Vor Jahren bekam er den Auftrag, Jane Greer zu suchen, die Geliebte des Gangsters Kirk Douglas, aber als er sie fand, verliebten sie sich ineinander und flohen, um irgendwo im Verborgenen zu leben. Eins führte zum andern – Geld wurde gestohlen, ein Mord wurde begangen –, und schließlich kam Mitchum wieder zur Besinnung und verließ die Greer, weil er endlich das Ausmaß ihrer Verdorbenheit begriff. Nun wird er von Douglas und der Greer erpresst, ein Verbrechen zu begehen, das aber nur eine abgekartete Sache ist. Er findet heraus, dass sie planen, ihm einen weiteren Mord unterzuschieben. Eine komplizierte Geschichte entwickelt sich, und Mitchum versucht verzweifelt, sich aus der Falle zu befreien. Einmal kehrt er in die kleine Stadt zurück, in der er wohnt, sagt Ann, dass er unschuldig ist, und beteuert ihr, dass er sie liebt. Aber es ist in Wirklichkeit schon zu spät, und Mitchum weiß es. Gegen Ende gelingt es ihm, Douglas zu überreden, die Greer wegen des Mordes anzuzeigen, den sie begangen hat, aber in diesem Augenblick betritt die Greer das Zimmer, zieht ruhig eine Pistole und erschießt Douglas. Sie sagt Mitchum, dass sie zusammengehören, und er, fatalistisch bis zuletzt, scheint auf sie einzugehen. Sie beschließen, zusammen aus dem Land zu fliehen, aber als die Greer geht, um ihre Koffer zu packen, ruft Mitchum die Polizei an. Sie steigen in den Wagen und fahren los, aber bald geraten sie in eine Straßensperre der Polizei. Als die Greer erkennt, dass sie hintergangen worden ist, zieht sie eine Pistole aus ihrer Handtasche und erschießt Mitchum. Dann eröffnet die Polizei das Feuer auf den Wagen, und die Greer wird ebenfalls getötet. Danach kommt die letzte Szene – am nächsten Morgen in der kleinen Stadt Bridgeport. Jimmy sitzt auf einer Bank vor der Tankstelle, und Ann kommt und setzt sich zu ihm. Sag mir eines, Jimmy, sagt sie, das eine muss ich wissen: Wollte er mit ihr fliehen oder nicht? Der Junge denkt eine kleine Weile nach und versucht, zwischen Wahrheit und Güte zu entscheiden. Ist es wichtiger, den guten Ruf seines Freundes zu wahren oder das Mädchen zu schonen? All das dauert nur einen Augenblick. Er sieht dem Mädchen in die Augen und nickt wie um zu sagen, ja, er hat die Greer schließlich doch geliebt. Ann tätschelt Jimmys Arm, dann geht sie zu ihrem früheren Freund, einem anständigen Polizisten, der Mitchum immer verachtet hat. Jimmy sieht zu dem Schild der Tankstelle hinauf, auf dem Mitchums Name steht, und winkt ihm einen freundschaftlichen Gruß zu, dann wendet er sich ab und geht die Straße hinunter. Er ist der Einzige, der die Wahrheit kennt, und er wird nie etwas sagen.
    In den nächsten Tagen lässt sich Blue diese Geschichte viele Male durch den Kopf gehen. Es ist gut, entscheidet er, dass der Film mit dem taubstummen Jungen endet. Das Geheimnis ist begraben, und Mitchum wird auch im Tode noch ein Außenseiter bleiben. Sein Lebensziel war sehr einfach: Er wollte ein normaler Bürger in einer normalen amerikanischen Stadt werden, das Mädchen von nebenan heiraten und ein ruhiges Dasein fristen. Es ist seltsam, denkt Blue, dass der neue Name, den sich Mitchum aussuchte, Jeff Bailey ist. Das kommt dem Namen einer Figur in einem anderen Film bemerkenswert nahe, den er im vorigen Jahr mit der zukünftigen Mrs. Blue sah – George Bailey, gespielt von James Stewart in Ist das Leben nicht schön? Diese Geschichte handelte auch vom kleinstädtischen Amerika, aber vom entgegengesetzten Standpunkt aus: Es ging um die Enttäuschungen eines Mannes, der sein ganzes Leben lang zu entkommen versucht. Aber zuletzt versteht er, dass er ein gutes Leben gehabt, dass er immer das Richtige getan hat. Mitchums Bailey würde zweifellos gern derselbe Mann sein wie Stewarts Bailey.

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