Schlangen im Paradies
kürze-sten Weg zu ihrem Bungalow. Sie war enttäuscht, daß Elizabeth gar nichts geäußert hatte, was sie für ihre Artikelserie benutzen könnte. Andererseits hatte sie freilich beim Dinner eine Fülle von Material geliefert bekommen. Stoff genug für einen handfe-sten Artikel zum Thema Eifersucht.
Würde es die Leser denn nicht interessieren, etwas über Leila LaSalles engste Freunde zu erfahren, die sich alle so benahmen, als seien sie froh, daß sie tot war?
15
Behutsam ließ er die Sonnenblenden herunter und löschte die Lichter. Er hatte es schrecklich eilig. Vielleicht war es schon zu spät, aber früher hätte er sich unmöglich hinauswagen können.
Als er die Außentür öffnete, begann er zu frösteln. Die Luft hatte sich stark abgekühlt, und er war nur mit Badehose und einem dunklen T-Shirt bekleidet.
Draußen herrschte Stille, das Gelände wurde nur von den jetzt abgedunkelten Laternen an den Fußwegen und in den Bäumen beleuchtet. Kein Kunststück, im Schatten verborgen zu bleiben, während er zum großen Schwimmbecken eilte. Würde sie noch dort sein?
Der Wind hatte sich gedreht und leichten Nebel vom Meer landeinwärts getrieben. Innerhalb von Minuten waren die Sterne und der Mond hinter Wolken verschwunden. Selbst wenn zufällig jemand am Fenster stehen und hinausschauen sollte, könnte er ihn nicht ausmachen.
Elizabeth beabsichtigte, bis zu ihrem Treffen mit Sammy am folgenden Abend zu bleiben. Das gab ihm lediglich anderthalb Tage – bis Dienstagmorgen –, alle Vorkehrungen für ihren Tod zu treffen.
Bei der Sträuchereinfassung der Terrasse am Schwimmbek-ken hielt er inne. In der Dunkelheit konnte er Elizabeth kaum sehen, wie sie mit schnellen, sicheren Stößen die Schwimmbahn durchmaß. Sorgfältig errechnete er seine Erfolgschancen. Die Idee war ihm gekommen, als Min erwähnte, daß Elizabeth gegen zehn regelmäßig hier im Schwimmbecken anzutreffen sei.
Eine plötzliche Attacke, niemand in Hörweite, falls sie auf-schrie, keine Spuren, keine Anzeichen eines Kampfes … Er wollte sich lautlos ins Wasser gleiten lassen, kurz bevor sie das entgegengesetzte Ende des Beckens erreichte, und abwarten, bis sie zurückkam, sich dann auf sie stürzen und sie untertauchen, bis sie sich nicht mehr wehrte. Jetzt schlich er sich hinter den Sträuchern hervor. Bei der Dunkelheit konnte er unbesorgt einen näheren Blick riskieren.
Er hatte vergessen, wie schnell sie schwamm. Obwohl sie überschlank war, hatte sie stahlharte Armmuskeln. Wenn sie nun den Kampf lange genug durchhalten konnte, um Aufmerksamkeit zu erregen? Und höchstwahrscheinlich trug sie auch noch so eine verdammte Trillerpfeife um den Hals, die Min für Einzelschwimmer zur Bedingung machte.
Vor Wut und Enttäuschung kniff er die Augen zusammen, als er sich geduckt immer näher an den Beckenrand heranschlich, bereit, hineinzutauchen, allerdings nicht sicher, ob dies genau der richtige Moment war. Sie schwamm schneller als er. Im Wasser könnte ihr das ihm gegenüber zum Vorteil gereichen …
Er durfte sich keinen zweiten Fehler leisten.
In aqua sanitas! Die Römer hatten dieses Motto in die Wände ihrer Thermen eingemeißelt. Wenn ich an Reinkarnation glauben würde, wäre ich überzeugt, damals gelebt zu haben, dachte Elizabeth, als sie im Dunkeln dahinglitt. Als sie zu schwimmen begann, hatte sie nicht nur die äußeren Umrisse des Beckens genau erkennen können, sondern auch die nähere Umgebung –
die Terrasse mit den Liegestühlen, den Tischen mit Sonnenschirmen und die blühenden Hecken. Jetzt sah sie das alles nur noch als schwarze Schattenrisse.
Die hartnäckigen Kopfschmerzen, die sie den ganzen Abend über geplagt hatten, ebbten allmählich ab, das Gefühl von Ein-geengtsein schwand; wieder einmal erlebte sie die befreiende Wirkung, die sie von jeher im Wasser empfand. «Ob das schon im Mutterleib angefangen hat?» hatte sie Leila einmal im Scherz gefragt. «Ich meine dieses unbedingte Gefühl, frei zu sein, sobald ich ins Wasser eintauche.»
Leilas Antwort hatte sie aus der Fassung gebracht. «Vielleicht war Mama glücklich, als sie dich erwartete, Spatz. Ich hab Senator Lange immer für deinen Vater gehalten. Er und Mama hatten ein stürmisches Verhältnis, nachdem mein teurer Herr Vater spurlos von der Bildfläche verschwunden war. Als ich unterwegs war, nannte man mich vermutlich ‹das Mißgeschick›.»
Von Leila stammte der Vorschlag, Elizabeth solle den Büh-nennamen Lange benutzen. «Wahrscheinlich
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