Schlangenjagd
nirgendwo auf dem Schiff irgendwelche Anzeichen von Aktivität zu bemerken waren, behielten sie diese Technik der Fortbewegung vorsichtshalber bei. Sie brauchten drei Minuten bis zum Ruderhaus, und dann gingen sie zur Backbordseite des Tankers und schauten zum ersten Mal auf den Ladekai hinunter. Die Lifte mit den Zwillingsladeköpfen waren höher als das Schiff, aber die dicken Schläuche baumelten unbewacht herab, sodass das Öl, das aus ihnen herauslief, nur sechs, sieben Meter tief auf den Kai fiel und von dort ins Meer sickerte.
Grob gezählt bereiteten sich mindestens hundert Aufständische darauf vor, das Dock zu verteidigen. Sie hatten genügend Zeit gehabt, Barrikaden zu errichten und ihre Positionen zu befestigen. Trono und seine Männer hatten einen harten Kampf vor sich, wenn es Linc und Ski nicht gelingen sollte, die Verteidigungslinie ins Wanken zu bringen.
»Was meinst du?«, fragte Ski. »Ist das hier gut genug, oder wäre dir eine höhere Position lieber?«
»Die Höhe ist in Ordnung, aber wir sind hier draußen zu ungeschützt, falls doch noch jemand auf dem Schiff herumschleicht. Wir sollten versuchen, aufs Dach des Deckhauses zu kommen.«
Während sie ins Schiff eindrangen und eine scheinbar endlose Folge von Treppen hinauf und hinunter stiegen, gab Linc einen Lagebericht an Max durch und erfuhr, dass sich Mike und seine Männer den Weg über das Terminalgelände freigekämpft hatten und sich jetzt in der vorgesehenen Position befanden.
Am oberen Ende der Treppe öffnete sich eine Tür. Ein Mann in einer schwarzen Hose und einem weißen Oberhemd mit Epauletten erschien. Linc hatte seine Pistole gezückt und dem Offizier die Mündung zwischen den Augen auf die Stirn gesetzt, ehe der Mann überhaupt begriff, dass er auf der Treppe nicht allein war.
»Nein, bitte …«, rief er laut.
»Still«, sagte Linc und nahm seine Automatik herunter. »Wir sind die Guten.«
»Sind Sie Amerikaner?« Der Offizier war eindeutig Engländer.
»Richtig geraten, Captain«, erwiderte Linc, nachdem er die vier goldenen Streifen auf den Schulterstücken registriert hatte. »Wir sind dabei, die Situation zu bereinigen. Dazu müssen wir aber aufs Dach.«
»Natürlich. Folgen Sie mir.« Sie setzten sich in Bewegung. »Was ist eigentlich los? In der einen Minute nehmen wir noch unsere normale Ladung Rohöl auf, und plötzlich kommt so ein Idiot, reißt die Schläuche raus und demoliert mein Schiff. Ich rufe beim Hafenmeister an, aber niemand nimmt den Hörer ab. Dann melden meine Beobachter bewaffnete Männer auf dem Kai. Und jetzt klingt es auch noch so wie damals auf den Falklandinseln.«
»Erst einmal muss es Ihnen reichen, wenn ich sage, dass Ihrer Mannschaft nichts passieren wird. Sorgen Sie bloß dafür, dass sich keiner an Deck oder ins Freie wagt.«
»Das war schon heute Morgen mein Dauerbefehl«, versicherte ihm der Kapitän. »Da wären wir.«
Sie hatten das obere Ende der Treppe erreicht. Es gab an dieser Stelle keine Türen mehr, sondern nur noch eine Luke in der Decke, die über eine Leiter erreichbar war. Ski stieg sie ohne lange Vorrede hinauf.
Linc streckte eine Hand aus. »Vielen Dank, Captain. Ab hier übernehmen wir wieder.«
»O ja, richtig. Viel Glück«, sagte er und schüttelte Lincs ausgestreckte Hand.
Ski stieß die Luke auf, sodass die Treppe in hellen Sonnenschein getaucht wurde. Er stieg durch die Öffnung, gefolgt von Linc. Man konnte die Luke nicht von oben verriegeln, daher würden sie die Öffnung wohl im Auge behalten müssen, um sicherzugehen, dass ihnen niemand folgte.
Das Dach des Ruderhauses war eine konturlose Platte weiß lackierten Stahls, überschattet vom Schornstein des Schiffes und einem Bündel Antennen. Als sie an seinen Rand herangingen, warfen sie sich auf den Bauch, um von unten nicht gesehen zu werden, und blickten wieder auf das Dock hinunter. Am Ende des niedrigen Damms mit dem Weg auf seiner Krone konnten sie Mikes kleine Armee sehen, die auf ihr Einsatzsignal wartete. In der Nähe war das Summen des UAV zu hören.
»Oregon,
hier ist Linc. Wir sind in Position. Lasst uns etwas Zeit, um Ziele zu bestimmen. Bleibt aber in Bereitschaft.«
Nachdem sie ihre Gewehre schussbereit gemacht und gefüllte Magazine am Dachrand aufgereiht hatten, damit sie schnell die Stellung wechseln konnten, nahmen die beiden Männer jeden gegnerischen Soldaten ins Visier, um zu entscheiden, wer Offizier war und wer zur Mannschaft gehörte, und um dann durch Ausschalten der
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