Schlangenkopf
schon Krieg führen müsst …«
»Moment.« Fausser legt sich neben sie, so, dass er ihr Gesicht im Profil sehen kann. »Die haben die Amerikaner angefordert?«
»Sag ich doch. Das heißt, CNN sagt das. Wenn ihr schon Krieg führen müsst, warum zum Teufel könnt ihr die Unschuldigen dabei nicht verschonen?«
»Erstens tun wir das nicht, Krieg führen, ich schon gar nicht …«
»Doch!«, fällt sie ihm ins Wort. »Es ist eine Parlamentsarmee, heißt es immer …«
»Zweitens«, fährt Fausser ungerührt fort, »zweitens richtet sich Krieg immer und vor allem gegen Unschuldige, gegen die Zivilbevölkerung nämlich, also gegen Frauen und Kinder, seit jeher ist das so, lies das Alte Testament oder den Grimmelshausen oder lass dir in einem feministischen Proseminar sagen, was hier in der Gegend los war, im Frühjahr vor fünfundsechzig Jahren …«
»Anderes hast du nicht vom Starnberger See mitgebracht als diese abgelutschten zynischen Spruchbeuteleien?«
»Abgelutscht? Wenn Du zugehört hättest, Mädchen, was ein unbeachteter Hinterbänkler in der Akademie dort zur Lage der Bundeswehr in Afghanistan sich erlaubt hat zu bemerken« – Fausser hebt leicht die Stimme, als wollte er den Tonfall einer Parlamentsrede imitieren –, »dann wüsstest du immerhin, warum die Bundeswehr gezwungen war, amerikanische Kampfflugzeuge anzufordern! … Und zynisch! Weißt du, was dieses Unglück oder diese Katastrophe« – er deutet auf den Fernseher, der jetzt keine zerschossenen Lastwagen mehr, sondern nur noch einen seriösen schwarzen Kommentator zeigt – »für das politische Berlin heute vor allem bedeutet, welche Fragen es aufwirft, was also heute Morgen ganz vorrangig sein wird, auch in deiner Redaktion? Die vorrangige Frage wird sein, ob der Verteidigungsminister jetzt beschädigt ist oder nicht. Ob er, wenn er heute oder morgen an den Hindukusch fliegt und sich wohlriechend zwischen unsere Soldaten stellt und dabei fotografieren lässt – ob er damit in den Umfragen nicht womöglich mehr Punkte gutmacht, als selbst zweihundert tote Dörfler ihn kosten … Das ist es, was euch interessiert!« Er dreht sich zur Seite und will mit der Hand zwischen ihre Oberschenkel greifen. »Zynisch! Ehrlich ist nur …«
»Weg da!«, unterbricht sie ihn scharf und schiebt seine Hand weg. »Wann begreift so ein alter Macho endlich …?«
»Was sollen alte Machos begreifen? Und wieso im Gegensatz zu jungen? Wird es von denen nicht erwartet?«
»Dass es einen Zeitpunkt gibt, an dem sie nicht mehr gefragt sind. Das sollen sie begreifen.«
I n eben dem Augenblick, als Miguel, die Arme aufgestützt, nach unten schaut, in das Gesicht der Frau unter ihm, das umrahmt ist vom Strahlenkranz der blonden, auf dem Leintuch ausgebreiteten Haare, in diesem Augenblick, als er sieht, wie die Blonde scharf durch den Mund atmet und die Oberlippe hochzieht und die Zähne freilegt, als wollte sie sie ihm in die Kehle schlagen, und er dabei dieses Ziehen in den Lenden spürt, die jetzt – gleich, sofort, beim nächsten Stoß – unaufhaltsam strömen und sich ergießen werden, in eben diesem Augenblick schlägt die Türglocke an. Das heißt, sie schlägt nicht an, sie ist auch nicht besonders laut, sie schnarrt eigentlich nur. Aber es ist ein Schnarren, das nun einmal in der Welt ist und in der Nacht.
Noch immer liegt das das Paar wie erstarrt, dann schlingt die Blonde ihre nackten weißen Beine um die seinen, hakt sich mit ihnen ein, umklammert ihn, hält ihm mit beiden Händen die Ohren zu, zieht seinen Kopf zu sich herunter, dass sie ihm ihre Zunge in den Mund stecken kann, er soll nichts hören und nichts reden, und weil er zu ficken aufgehört hat, ist jetzt sie es, die ihr Becken gegen seinen Schwanz drängt, in einem schnellen, fordernden Takt. Aber es ist verlorene Liebesmüh.
Miguel befreit sich von ihren Händen und richtet sich auf. »… Sorry, tut mir leid. Das ist wirklich Scheiße«, sagt er. »Aber ich muss wissen, was für eine.« Zögernd geben ihn die Beine frei, sein Schwanz glitscht aus dem Leib der Blonden, mühsam steht er auf, das Ding hängt nur noch, und mit ihm schrumpelt die Gummihaut des Kondoms, ein blödes Gefühl.
Er geht zur Tür des Appartements. Dort ist eine Sprechanlage.
»Was’n los?«
»Zlatan ist hier«, sagt eine flache, leere Stimme. Miguel erkennt sie zunächst nicht. Zlatan? Ja, doch. Die Aushilfe.
»Was willst du? Weißt du, wie viel Uhr es ist?«
Halblaut murmelt die Stimme etwas.
»Ich
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