Schlangenlinien
berührte mit der Schuhspitze meinen Rucksack. »Hier drinnen habe ich einen Brief von Michael Percy, in dem er schreibt, wie du mit der Einkaufstasche nach ihr geschlagen hast und dabei auf den Hintern gefallen bist. Und du hättest natürlich nicht gewollt, dass ich dich zu den Leuten zähle, die was gegen Annie hatten«, schloss ich, »schließlich hattest du ja Dreck am Stecken, weil du sie allem Anschein nach tot in ihrem Haus liegen gelassen hattest.«
»Ich habe diesen Schweinestall nie betreten«, erklärte sie mit bemerkenswert ruhiger Stimme.«
»O doch«, widersprach ich. »Du hast dich hinter ihr ins Haus gedrängt, als sie aufsperrte, weil sie die Frechheit besessen hatte, dich als das zu bezeichnen, was du warst – ein billiges Flittchen.« Ich nahm die Fotografie heraus, die die Geschosskartusche aus Messing in Beth Slaters Wohnzimmer zeigte. »Hast du es damit getan?«, fragte ich und hielt ihr die Aufnahme hin. »Das Ding hätte sich als Erstes als Waffe angeboten. Es stand gleich in Annies Flur. Was hast du getan? Die Pfauenfedern herausgerissen und ihr das schwere Ding auf den Kopf geschlagen, dass sie in ihrem Wohnzimmer zusammenbrach? Und dann? Hast du dann völlig durchgedreht und sie geschlagen und getreten, bis sie das Bewusstsein verlor? Träumst du nachts davon, Libby? Wachst du schwitzend und schreiend aus diesen Träumen auf?«
Sie sprang so heftig auf, dass ihr Stuhl umkippte. »Ich brauche mir das nicht anzuhören«, verkündete sie und griff nach ihrer Handtasche.
Sam hob den Kopf. »Doch, ich fürchte, du wirst es dir anhören müssen, Libby«, sagte er in überraschend sanftem Ton, »die Sache lässt sich nämlich nicht so einfach abhaken. Diesmal nicht. Keiner ist mehr bereit, bei deinen Lügengeschichten mitzumachen.«
Sie drehte den Kopf und sah ihn an. »Ich habe nicht gelogen, Sam, jedenfalls nicht bewusst. Das weißt du – und Jock weiß es auch.«
Er musterte sie einen Moment lang. »Du hast Jock angestiftet, mir zu erzählen, Sergeant Drury hätte was mit meiner Frau. War das nicht gelogen?«
Sie schoss einen triumphierenden Blick auf mich ab. »Aber nein, natürlich nicht. Jeder, der auch nur einen Funken Verstand hatte, konnte sehen, was da lief. Weißt du, was dein Problem ist? Du hast selbst solche Schuldgefühle, dass du dir einbildest, alles, was dieses scheinheilige Miststück sagt, müsste wahr sein. Wieso soll sie dir nicht genauso untreu gewesen sein wie du ihr?«
Sam antwortete nicht gleich. Ich fühlte seine Hand, die sich in die meine schob, und ich nahm wahr, dass sie zitterte. »Weil sie ihre Versprechen hält«, sagte er einfach. »Im Gegensatz zu dir und mir, Libby.«
Wieder flog der Blick meiner einstigen Freundin zu mir, und diesmal war er voller Hass. »Du bist wirklich naiv, Sam«, sagte sie mit eisiger Verachtung. »Hast du denn immer noch nicht gemerkt, wie rachsüchtig sie ist? Sie war von Anfang an entschlossen, mich dafür bezahlen zu lassen, dass ich es gewagt hatte, dich ihr wegzunehmen – und nun versucht sie eben, mir einen Mord in die Schuhe zu schieben...«
* * *
Schreiben im Auftrag des Commissioner of Police, New Scotland Yard, aus dem Jahr 1999
Mrs. M. Ranelagh
Leavenham Farm
Leavenham
Nr Dorchester
Dorset DT2 XXY
5. Oktober 1999
Betrifft: Todesfall Ann Butts, Graham Road 30, Richmond – am 14.11.1978
Sehr geehrte Mrs. Ranelagh,
der Commissioner hat mich beauftragt, Sie bezüglich der o. a. Angelegenheit auf dem Laufenden zu halten. Ich kann nunmehr bestätigen, dass eine vollständige Reihe von Vernehmungen durchgeführt wurde; lediglich eine Vernehmung – die von Mr. Derek Slater, dessen derzeitiger Aufenthalt nicht bekannt ist – war nicht möglich.
Ich kann Ihnen ferner bestätigen, dass diese Vernehmungen zu den folgenden Anklagen geführt haben: Mr. Alan Slater – wegen Einbruchs im Haus Graham Road 30 am 15.11.1978 gegen 02.00 Uhr; Mr. Alan Slater und Mr. Michael Percy – wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung, begangen an Miss Ann Butts am 14.11.1978 gegen 20.30 Uhr; Mrs. Maureen Slater – wegen arglistiger Täuschung und Verkaufs gestohlener Ware in der Zeit vom 6.6.1979 bis zum 10.11.1979 an die Firma Smith Alder, Juweliere, Chiswick. Des Weiteren untersuchen die Tierschutzbeauftragten die Möglichkeit einer Klage wegen Tierquälerei, wobei allerdings wenig wahrscheinlich ist, dass es zu einem Verfahren kommen wird, da Miss Butts beinahe mit Sicherheit zur Notlage und zum Tod der Katzen beitrug,
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