Schlecht aufgelegt (German Edition)
und seinen besten Mann Klaus.
« J etzt mal ehrlich, Paul, mit all deiner Wortgewalt, deiner Kraft, deinem germanistischen Wissen – wie findest du denn nun meine Gedichte? Ich kann es wirklich kaum erwarten, deine positive Meinung zu hören, mein Freund», suhlte sich Richard Schiefelbeck in grundlos optimistischer Vorfreude. Paul verdrehte die Augen, was gefahrlos war, denn er saß im ICE nach Barcelona und Richard Schiefelbeck im Call-Center in Berlin. Die Handyverbindung war nicht sonderlich stabil, aber sie hielt, leider. Richard Schiefelbeck hatte offenbar sofort zum Hörer gegriffen, kaum dass er von Pauls Urlaub erfahren hatte. «Hör mal, Richard», begann Paul, wollte zunächst die Wahrheit sagen, fühlte dann aber große Milde in sich aufsteigen. Heute war nicht der Tag, die Euphorie eines anderen zu bremsen. «Ich sage es dir, wie es ist.»
«Ja?», hechelte Richard Schiefelbeck.
Paul lächelte. «Ich habe deine Gedichte mit Kuli geteilt.»
«Mit wem?»
«Kuli. Hat bei uns gearbeitet. Bis vor ein paar Tagen.»
«Ach, richtig. Und?», fragte Richard Schiefelbeck ungeduldig. «Mochte er sie?»
«Ich würde sogar sagen, er hat sie gebraucht. Sie waren wie pures Geld, so würde ich mal ganz prosaisch sagen. Sie waren sehr wichtig. Für uns beide.»
«Das ist … toll!», begeisterte sich Richard Schiefelbeck. «Und welches mochtet ihr am liebsten?»
«Unterschiedlich», mauerte Paul.
« Hartz Viertel und Mir Bricht Die Gülle mag ich am meisten», schwärmte Pauls Kollege.
«Mir hat Froschscheiße am besten gefallen. Das war so kontrovers.»
«Kontrovers ist gut», freute sich Richard Schiefelbeck. «Kontrovers ist sehr gut. Kunst ist das.» Er machte eine Pause. Der Zug ratterte über die Schienen, hinfort von Berlin, ab in die Sonne. «Und was machen wir jetzt damit?», fragte der Dichter dann.
«Richard», sagte Paul freundlich. «Ich kann nicht dein Agent sein. Du brauchst einen richtigen Agenten. Eine Agentur, die sich mit Lyrik auskennt und dich betreut. Jemanden, der nicht in einem Call-Center arbeitet, sondern den ganzen Tag für dich Zeit hat.»
«Du hast ja so recht, Paul!», bestätigte Richard Schiefelbeck. «Es ist schade, aber du hast recht! Ich schaue gleich mal im Internet, wen ich da finde. Martin Schulte hat so etwas Ähnliches gesagt und mir gleich ein paar Links geschickt.»
«Du hast Martin Schulte auch dein Zeug zum Lesen gegeben?», fragte Paul leicht gekränkt.
«Auf einem Bein kann man nicht stehen, Paul. Und ich wusste ja gar nicht, ob du meine Kunst auch als solche zu deuten wissen würdest.»
«Da mach dir mal keine Sorgen, Richard. Hier sind übrigens dauernd Funklöcher. Ich muss aufhören.»
«Danke, Paul», hörte er Richard Schiefelbeck noch sagen, dann legte er auf und lehnte sich zurück. Er würde noch fast einen ganzen Tag unterwegs sein, doch das störte ihn nicht. Er war gerne mit sich allein, würde Sophie sicherlich vermissen, aber ansonsten nicht allzu vieles. Außer Kuli eventuell, aber das musste man erst mal sehen. Er hatte einen völlig überteuerten Bahnhofs-Kaffee getrunken, sich eine Tageszeitung, zwei Bücher, die er nicht lesen würde, und drei Sandwiches gekauft und fühlte sich nun präpariert für einen Ausflug in eine andere Welt. Er fragte sich, ob er wohl mit offenen Armen empfangen werden würde oder ob er sich auf irgendeiner spanischen Treppe mit Javier im Mondenschein duellieren musste. Vielleicht hätte er doch mal vorher anrufen sollen. Seltsamerweise spürte er überhaupt keinen Hass, keine Aggressionen, nicht einmal gegenüber diesem Javier, der ja vielleicht sogar ein ganz netter Kerl war und der es sicherlich auch nicht leicht hatte mit einem Kind, das nicht das seine war, und einer Frau, die gewisse Anforderungen an einen Mann stellte, denen man gar nicht immer gerecht werden konnte. Er sah sich plötzlich mehr als Tourist als als Erretter, und das tat ihm gut. Luna würde es sicherlich auch guttun. Gelassenheit, das war das neue Motto, das es zu leben galt, und wie Fortuna es so wollte, wurde sein frisch erworbenes Gefühl der Leichtigkeit in diesem Moment, wo er es erstmals empfand, noch verstärkt, als sein Handy piepte und das Display ein Foto anzeigte, das Sophie ihm geschickt hatte. Da war sie, lächelte ihn an und versprach ihm damit eine Zukunft, die nichts mit dem Call-Center und einer Warteschlange zu tun hatte. Nein, er, Paul Uhlenbrock, hatte die Warteschlange verlassen.
K uli wischte sich den Schweiß von
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