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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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hatte in einem Anfall von Selbstmitleid und schlechtem Gewissen meiner Mutter mein Herz ausgeschüttet. Was sie sagte, klang sehr vernünftig und pädagogisch wertvoll. Aber ich konnte nicht vernünftig sein, nicht mit der Erinnerung daran, wie mich Vio angesehen hatte, ehe sie einfach davongerannt war. Jetzt wäre ich am liebsten den ganzen Abend schniefend auf dem Badewannenrand sitzen geblieben.
    Meine Mutter hatte ein Kleenextuch mit Lotion angefeuchtet und wischte mir behutsam die schwarzen Schlieren aus dem Gesicht.
    »Sieh es doch mal so: Es war auch nicht fair von Vio, dich da mit reinzuziehen«, sagte meine Mutter, während sie an mir herumputzte. »Um ihren Spaß zu haben, hat sie in Kauf genommen, dass du womöglich eine Menge Ärger kriegst. Nicht besonders freundschaftlich gedacht, finde ich.«
    Ich wollte Vio automatisch in Schutz nehmen, doch je länger ich über die Worte meiner Mutter nachdachte, desto weniger war mir zum Heulen zumute. Ich nahm meiner Mutter das schwarz verschmierte Tuch aus der Hand und putzte mir damit energisch die Nase. Danach hielt ich das Gesicht unter den Wasserhahn, und als ich unter dem kalten Strahl hervorkam, hatte ich eine Entscheidung getroffen. Ich grinste meine Mutter an: »Aber komm mir ja nicht mit dem Lidschattenpinsel in die Augen!«

    Die Aula war gesteckt voll. Überall standen Grüppchen von Schülern herum, eine Lichtorgel tauchte ihre Gesichter abwechselnd in rotes, blaues und violettes Licht und aus den Boxen dröhnten die Hits aus den Charts. Noch in der Tür stehend graste mein Blick alles ab. Ich wollte sehen, ob Vio die Sache tatsächlich durchzog. Aber meine Augen blieben an Grover hängen. Sein blauer Schopf wurde gerade in rotes Kunstlicht getaucht und nahm dadurch einen noch schrägeren Farbton an. Ich musste unwillkürlich grinsen, weil er nun wirklich aussah wie aus der Sesamstraße entlaufen. Als hätte er meinen Blick gespürt, drehte Grover den Kopf, sah mich und grinste ebenfalls. Bitte nicht, dachte ich, er soll nicht zu mir rüberkommen und mich den halben Abend vollquatschen.
    Daher hob ich nur grüßend die Hand und tauchte ins Gewühl ab. Ich hatte mich gerade zu der aus Biertischen improvisierten »Bar« durchgekämpft, an der es Wasser, Cola oder Orangensaft gab, da sah ich sie. In meinem Glitzertop, die gefärbten Haare im Diskolicht blutrot leuchtend: Vio. Sie hatte sich tatsächlich hierher getraut und riskierte Riesenärger mit ihrer Mutter.
    »Hallo, ich hab dich was gefragt!«
    Ich zuckte zusammen, weil das Gesicht des Schülers, der hier mit drei anderen die Bar schmiss, nur Zentimeter von meinem Ohr entfernt war. Aus meinen Gedanken gerissen musste ich ihn angesehen haben wie ein Schaf, denn er grinste breit. »Wir haben auch was Stärkeres, wenn du willst – kostet aber extra!« Damit lüftete er dezent die Plastikdecke, die über den Tischen lag, und wies zwinkernd auf einen Kasten Bier, der dort versteckt geparkt war.
    »Nee, ich krieg nur ein Wasser«, meinte ich.
    Mit dem vollen Becher in der Hand schob ich mich durch die erhitzten Leute, die tanzten oder nur im Takt wippten, bis ich mich zu Vio durchgequetscht hatte. Kurz bevor ich sie erreichte, blieb ich zögernd stehen. Was, wenn sie mich wie Luft behandelte? Oder mich anschnauzte, was für eine miese Freundin ich wäre? Ich wagte es plötzlich nicht mehr, mich bemerkbar zu machen. Doch da rempelte mich jemand an, ich stolperte und prallte von hinten gegen Vio. Die drehte sich mit der Miene einer genervten Monarchin um. »Pass doch auf, du …«
    In dem Moment erkannte sie mich. Kurz verengten sich ihre Augen, dann aber lachte sie ihr breites Vio-Lachen. »Lila. Na so was! Was machst du denn hier?«, frotzelte sie.
    Ich war erleichtert, dass sie überhaupt mit mir redete. »Weißt du, ich dachte, ich schau mal vorbei. Im Fernsehen kam nichts, na ja, und so – bin ich hier«, versuchte ich, auf ihren witzelnden Ton einzugehen.
    Vio lächelte, wenn auch etwas schmal. Ich fand sie gleichzeitig mutig und verrückt.
    »Was, glaubst du, macht deine Mutter, wenn sie das rauskriegt?«, wollte ich wissen.
    Vio musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen und sagte cool: »Sie holt sich ein Ei aus dem Kühlschrank und verfällt in dumpfes Brüten.«
    Der Witz war zwar weder besonders neu noch besonders gut, trotzdem musste ich lachen. Vio schenkte mir ein knappes Grinsen, dann schob sie sich energisch Richtung Tanzfläche. Ich blieb einen Moment ungelenk stehen. Hieß das jetzt,

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