Schlehenherz
unserem hochstand.
und langsam, ganz langsam wühlt auch der schmerz weniger in mir. so als ob eine tiefe wunde anfangen würde, zu verheilen. trotzdem ist erst ein hauchdünner schorf darüber und ich muss jeden tag aufpassen, dass es nicht wieder aufbricht und erneut zu bluten beginnt.
manchmal will ich auch gar nicht, dass es heilt. weil ich angst habe, die erinnerung an dich könnte dann verblassen und fadenscheinig werden. wie ein lieb gewonnenes, aber schon lange getragenes kleid, das am saum allmählich ausfranst. oder wie ein foto, das langsam vergilbt und auf dem die gesichter irgendwann nur noch als verschwommene flecken erkennbar sind.
dann aber schließe ich die augen und kann dich sehen: blendend scharf umrissen, als stündest du im hellen lichtkegel einer straßenlaterne. dann höre ich dein lachen und deine stimme. ich werde älter werden, vielleicht von hier weggehen. du aber wirst immer 16 bleiben. aber ich weiß, dass du für immer in meinem herzen bist.
liebe vio, es ist endgültig frühling geworden. der schlehenbaum, dein schlehenbaum, blüht. heute war ich am friedhof und habe dir einen seiner zweige aufs grab gelegt: er trägt hunderte von winzigen, weißen blüten. man sagt, die schlehe schützt vor allem bösen. dich hat sie nicht schützen können, genauso wenig wie ich es konnte. aber ich denke – nein, ich bin sicher –, du bist mir nicht böse. seit dein mörder gefasst ist, hatte ich keine albträume mehr. und auch du bist mir im traumland nicht mehr begegnet. ich glaube, das bedeutet, dass du dort, wo du jetzt bist, frieden gefunden hast.
die kette mit dem anubis-anhänger habe ich vorsichtig in seidenpapier gewickelt und in mein liebstes schmuckkästchen gelegt. er war ein guter talisman, der ägyptische totengott. doch jetzt brauche ich ihn nicht mehr. denn jetzt ist es zeit, zu leben.
deine lila
Ich danke:
Hannes, meinem Lebensmensch, meinem Anker. Moni, der treuesten Freundin. Meinem Vater, der mich stets bestärkt hat. Hanne und Günther für Beistand an dunklen Tagen. Allen Freundinnen, die schon so lange an meiner Seite sind. Meiner Yogalehrerin Steffie. Familie Lechner fürs »Refugium am See«. Carl v. E. und dem Münchner Chaos Computer Club für Geduld und Tipps. Dem Ueberreuter-Verlag und Angelika Höllriegl für die gute Betreuung. Und meiner wunderbaren Literaturagentin Anja und ihrem Team von Scriptzz für schier unerschöpfliches Engagement.
Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig. Auch die »Loisachkapelle« mit dem angrenzenden Café/Biergarten ist fiktiv. Eine Kapelle dieses Namens gibt es in Murnau und Umgebung nicht.
Das Naturschutzgebiet um Murnau heißt in Wirklichkeit »Murnauer Moos«. Ich habe mir jedoch die Freiheit genommen, es im Buch als »Moor« zu bezeichnen.
Quellen
Gedichte von Else Lasker-Schüler:
»Frau Dämon«, S. 20
»Liebe«, S. 81
»Ein Liebeslied«, S. 149
»Mein blaues Klavier«, S. 150, 151
»Unser Liebeslied«, S. 154
»Die Träne, die du beim Gebete weinst«, S. 161
»Abschied (aber du kamst nie mit dem Abend)«, S. 184
Alle zitiert nach: Else Lasker-Schüler, Sämtliche Gedichte. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
Stefan George, Sieg des Sommers«, S. 46
Zitiert nach: Stefan George, Das Jahr der Seel. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 4. Georg Bondi, Berlin 1928
Theodor Storm, »O bleibe treu den Toten«, S. 164
Zitiert nach: Theodor Storm. Gedichte. Reclam Verlag, Ditzingen 1986
Heike Eva Schmidt
wurde in Bamberg geboren und lebt heute in der Nähe von München. Schon in der Grundschule begann sie, heimlich Geschichten zu erfinden und aufzuschreiben. Zwanzig Jahre später erhielt sie ein Stipendium an der Drehbuchwerkstatt München und arbeitet seitdem als Journalistin und Drehbuchautorin. »Schlehenherz« ist ihr erster Jugendroman – damit hat sich ihr Kindheitstraum, als Autorin zu arbeiten und zu leben, erfüllt.
eISBN 978-3-7090-0094-6
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Familien sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Umschlaggestaltung von init, Büro für Gestaltung, Bielefeld, unter Verwendung eines Fotos von Mauritius images, Mittenwald
Copyright © 2012 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien
Ueberreuter im Internet: www.ueberreuter.at
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