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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Vio hatte mir verziehen, oder hatte sie keinen Bock mehr, mit mir zu reden? Ich wollte ihr folgen, als ich einen Stoß an den Ellenbogen kriegte und mein Becher Wasser sich über mein Shirt und die halbe Hose ergoss. Vio, die das mitkriegte, blieb stehen und grinste wieder. Ich seufzte und schrie ihr zu: »Ich muss mich erst mal trockenlegen, geh du schon mal vor.«
    Wenn ich geahnt hätte, wie wörtlich Vio meine Aufforderung nahm, ich hätte den Mund gehalten.

    Als ich von der Toilette kam, schien Vio in der Menge untergetaucht zu sein. Ich steuerte durch die Tanzenden und suchte mit starrem Blick nach ihrem Glitzertop. Plötzlich sah ich am Rand der Aula, kurz vor der Bühne, etwas aufblitzen. Vio? Ich pflügte durch meine Mitschüler. Endlich hatte ich den Rand der Tanzfläche erreicht. Und da sah ich ihn: Till. Aber nicht Nessie stand neben ihm – sondern Vio!
    Ich blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Was hatte die denn mit Till zu schaffen, sie konnte ihn doch nicht leiden? Ich starrte die beiden an, unfähig mich zu rühren. Wie sie da mit ihren roten Haaren vor Till stand, Bauch-rein-Brust-raus-Haltung, das Kinn vorgestreckt, war Vio eine einzige Herausforderung. Mir drückte es die Luft aus der Lunge. Allerdings war ich zu weit weg, um zu hören, worüber die beiden redeten.
    Ich atmete durch. Jetzt beruhig dich, redete ich mir selbst zu. Vielleicht flirtete Vio ja gar nicht mit Till, sondern drückte ihm wieder mal einen Vio-typischen Spruch rein? In dem Moment sah ich, wie Till Vio seine Bierflasche hinhielt. Vio grinste, nahm die Flasche und trank einen großen Schluck, wobei sie Till – wie ich fand – provozierend ansah. Und auch er konnte seinen Blick nicht von ihr lassen. Sie sagte etwas zu ihm und er lachte. Till lachte mit Vio? Vielleicht lachten sie ja über mich. Genau in diesem Augenblick drehte Vio den Kopf und sah mich. Eine Sekunde hielt sie meinen Blick fest, dann hoben sich ihre Mundwinkel spöttisch – ehe sie sich wieder Till zuwandte.
    Hätte Vio vorhin kein Wort mit mir geredet oder mich angeschrien, es hätte nicht schlimmer sein können. Mein Magen fühlte sich an, als hätte ich statt Wasser ein Glas Säure getrunken. Ein scharfer, brennender Schmerz durchfuhr mich so plötzlich, dass ich mich kurz krümmte.
    »Alles okay mit dir?«, fragte Grover, der plötzlich neben mir stand.
    »Alles bestens, ich hab nur … ich glaube, ich muss an die frische Luft«, brachte ich heraus.
    »Soll ich mit?« Grover schaute mich besorgt an.
    »Nee, lass, ich komme klar«, presste ich mit dünner Stimme raus und ließ Grover einfach stehen.
    Er sollte nicht sehen, dass mir bereits die Tränen in den Augen standen. Blind schob ich mich durch die Menge, wühlte auf dem Stapel Turnmatten hektisch nach meiner Jacke und stolperte durch den Flur nach draußen. Heftig stieß ich die gläserne Eingangstüre auf und blieb einen Moment lang davor stehen. Gierig sog ich die klare Oktoberluft ein. Das Brennen in meinem Hals ließ nach. Gut, denn ich wollte nicht heulen. Auch wenn Vio bei Till stand und mich gerade aufs Schäbigste verraten hatte. Ihre Rache für meinen Rückzieher hätte nicht perfekter sein können.

    Am Tag nach der Party verkroch ich mich im Bett. Mein Handy hatte ich ausgeschaltet und meiner Mutter eingeschärft, dass sie Vio sagen sollte, ich wäre nicht da, falls sie anrief. Doch Vio dachte gar nicht daran. Sie fühlte sich wohl im Recht und wartete darauf, dass ich angekrochen kam. Da konnte sie lange warten, schwor ich mir grimmig. Einmal hatte ich nicht nach ihrer Pfeife getanzt und was machte sie? Stach in die Wunde, die am meisten schmerzte. Nein, ich würde nicht den ersten Schritt machen. Wenn ich es mir genau überlegte, hatte ich eigentlich gar keine Lust mehr, noch mit Vio befreundet zu sein. Von wegen eine gemeinsame Wohnung in Paris! Dahin konnte sie alleine ziehen. Wenn sie das Abi überhaupt schaffte, denn ab jetzt würde ich sie nicht mehr mitziehen. Und wenn sie noch so bettelte.
    Ich lag im Bett und malte mir aus, wie ich mit hocherhobenem Kopf an Vio vorbeirauschte, die mir mit Tränen in den Augen nachsah. Wie sie alles tun würde, um wieder meine Freundin zu sein. Nur würde ich sie gar nicht beachten und so stand Vio verlassen auf dem Pausenhof. Als ich bei dieser Vorstellung angekommen war, fing ich an zu weinen. Denn in Wirklichkeit wollte ich, dass Vio jetzt, in dieser Minute, bei mir anrief. Oder klingelte. Meinetwegen auch an die Terrassentür klopfte, so

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