Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Deutsche in der ganzen Welt entscheidend prägt und dass wir keine Ahnung haben, warum das so ist«, half ich ihm auf die Sprünge.
»Genau! Das ist doch unheimlich, oder?« Jochens Mund wusste noch nicht, dass sein Gehirn bereits schlafen gegangen war.
»Das sagtest du bereits!«
»Was sagte ich bereits?«
»Dass die Stärke der bayerischen Kultur unheimlich sei.«
»Genau! Hast du denn gar keine Angst davor? Dass du einfach assimiliert wirst. So wie es die Borgs in Raumschiff Enterprise mit jedem gemacht haben, dem sie begegneten?!«
»Du meinst, die Bayern injizieren mir eine Nanosonde, und ich verwandle mich in einen von ihnen?«
»Ja … das finde ich übrigens eine sehr interessante Theorie. Das würde nämlich auch erklären, warum die Bayern alle so gleichgeschaltet sind.«
Zwei Minuten später war Jochen auf seinem Sessel eingeschlafen. Auf dem Nachhauseweg fragte ich mich, ob er recht haben könnte. Ein bisschen was Unheimliches, Sektiererisches haftet den Bayern ja schon an. Andererseits: Muss man Angst haben vor einem Volk, zu dessen Berühmtheiten Personen wie Uschi Glas oder Ottfried Fischer zählten? Ich jedenfalls würde keine Angst haben. Und die vielgepriesene bayerische Gemütlichkeit ging mir am Allerwertesten vorbei. Ich empfand sie als rückwärtsgewandt. Es war mir wirklich ein Rätsel, wie die Bayern es mit ihrem ambivalenten Image geschafft hatten, ihr Bundesland zu einem beliebten Urlaubsziel zu machen. Aber ich würde es ja bald herausfinden. Vorerst redete ich mir ein, dass sich die vielen Vorurteile über die Bayern zwar von einer wahren Wurzel nährten, aber eben längst nicht die ganze Wahrheit waren. So schlimm würde es im bayerischen Kuriositätenkabinett schon nicht werden.
Es ist ja auch nicht so, dass jeder Berliner bunte Haare, einen Schäferhund und keinen festen Wohnsitz besitzt.
5. Kapitel: In welchem die neuen Hausbewohner in München bei einem Berliner für ausgesprochen wirre Träume sorgen
»Grüß Gott, san Sie die Neuen? Vierter Stock, gell? I bin die Frau Pschierer. I wohn im dritten.«
Eine freundliche ältere Dame musterte uns und unsere Möbel mit neugierigem Blick. Sie versteckte ihre ausladenden Hüften unter einem Kleid mit einem bunten Blumenmuster, darüber trug sie noch eine rote Strickjacke. Ihr lockiges Haar guckte unter einem Kopftuch hervor. Um ihren Hals hingen mindestens acht Ketten, die, sobald sie sich bewegte, aneinanderklackerten. Eine lebende Rumbarassel in Bunt. Ich stellte die Bananenpflanze, die ich gerade hinauftragen wollte, ab und gab ihr die Hand. Oskar flitzte in den Hausflur und sprang auf den Treppen herum.
»Guten Tag, sehr angenehm, Frau Pschierer, Wiechmann mein Name. Sie haben recht, wir sind die Neuen. Der kleine Krachmacher ist unser Sohn Oskar… Oskar, komm doch mal her.«
Missmutig trabte Oskar an. »Meine Frau ist gerade oben«, stellte ich ihr auch den Rest der Familie vor.
»Was für a netter Bua!« Frau Pschierer strich Oskar durch die Haare, der wie gewohnt skeptisch auf die körperliche Zuwendung Fremder reagierte.
Sie ignorierte sein Schmollen. »Wie alt bist du denn?«
»Vier«, presste Oskar zwischen seinen Lippen hervor.
»Wie herzig. Sog amoi, magst du gern Kuchen?«
»Mmmmh.«
»Wennsd moagst, kannst gerne amoi mit deinen Eltern bei mir vorbeischauen, und i mach uns oan leckeren Kaiserschmarrn, gell?« Frau Pschierer sah aus, als würde sie Oskar am liebsten gleich in ihre Wohnung verschleppen, um ihn dort mit Süßigkeiten und Gebäck zu mästen.
Wieder an uns gewandt, flüsterte sie verschwörerisch: »Passen S’ beim Hinauftragen bloß auf mit Ihren Sachen. Wenn der Rieger Schorsch einen Kratzer an der Wand oder auf dem Treppengeländer findet, wird er Sie’s zahlen lassen. Der oide Grantler tut sich immer gern a bisserl aufmandln.«
Rieger Schorsch? Grantler? Aufmandln? Ich verstand kein Wort.
»Aha? Und wer ist denn dieser Rieger Schorsch.«
»Des bin i«, meldete sich eine dröhnende Stimme.
Ich spürte ein Frösteln. Als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben, wurde es plötzlich dunkel im Hausflur. Aber es war keine Wolke, sondern nur der massige Körper eines Mannes, der in der Haustür aufgetaucht war und diese beinahe vollkommen ausfüllte, sodass kaum noch Tageslicht in den Flur hineinfiel.
»I bin hier der Hausmeister.«
»Ach, der Herr Rieger. Grüß Sie Gott.« Frau Pschierer hatte es plötzlich eilig. »So, jetzt ziehn S’ erst amoi in Ruhe ei. Und wenn S’ Fragen
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