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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ihre Worte schmerzten, und in diesem Moment war sie kleinlicherweise sogar erfreut darüber.
    Zu ihrer Überraschung trat Chris für sie ein. »Ich glaube, es ist doch wichtig, was Paula herausgefunden hat, Chefin. Sie sehen ja, dass sie nicht stolz darauf ist, was sie getan hat. Aber zweifellos hat sie ein Ergebnis erzielt. Sie ist eine gute Polizistin und verdient keine Prügel dafür, dass sie etwas riskiert hat. Wir tun das alle hin und wieder.« Ihr Blick hielt Carol stand. Sie waren eine Zeitlang zugleich bei der Met im Dienst gewesen. Carol war klar, dass Chris Devine mehr über sie wissen musste als alle anderen in ihrer Gruppe.
    »Es wird noch Zeit sein, sich mit der disziplinarischen Seite der Sache zu befassen, wenn diese Ermittlung abgeschlossen ist«, konstatierte Carol kühl und wollte sich nicht eingestehen, dass Chris’ Worte Angst in ihr geweckt hatten. Paula hatte etwas erreicht. Und das hieß, Carol hatte unrecht damit gehabt, Tonys Meinung zu ignorieren. War sie auf dem Weg zu versagen? Schnitt sie sich ins eigene Fleisch, weil er Dinge bemerkt hatte, die sie hätte erkennen müssen, aber übersehen hatte? Litt ihre Urteilskraft unter ihrem Alkoholkonsum? Sie hatte weiß Gott schon oft genug gesehen, wie anderen dies passiert war. »Was trug Dr. Hill Ihnen auf?«
    Paula war verunsichert, berichtete Carol aber über ihre Fahrt zum Pub und ihr Gespräch mit Jana Jankowicz. Sie legte das Foto von Jack Anderson auf den Schreibtisch. »Das ist der Mann, den Carlos wiedererkannte. Jana meint, er sei zum Haus gekommen, als Danny weg war, aber sie kann sich nicht erinnern, warum und wann.«
    »Im Amatis hat niemand Anderson eindeutig erkannt, aber einer der Barmixer glaubt, er könnte den Typen an dem bewussten Donnerstagabend mit Robbie gesehen haben«, fügte Chris hinzu. »Alles etwas vage, aber wir dachten, es könnte sich vielleicht lohnen, Carlos herkommen zu lassen, damit Stacey mit ihm zusammen versuchen kann, dem Bild mehr Ähnlichkeit zu verleihen. Andere Frisur, kleine Nachbearbeitung mit dem Computer, so in die Richtung.«
    Carol spürte den Widerstreit ihrer Emotionen. Einerseits wollte sie an ihrem Zorn festhalten und ihnen gehörig die Meinung sagen. Andererseits wollte sie ihnen gratulieren und alles in Gang setzen, um Jack Anderson zu finden und ihn herholen zu lassen. Selbst als sie diesen Konflikt klar erkannte, musste die Polizistin in ihr erst noch das zornige Kind zum Gehorsam zwingen.
    Im gleichen Moment sah sie, dass Paula ihre Gemütsbewegung erkannte und sich leicht entspannte.
    »Ach, was soll’s«, meinte Carol, und ein bitteres Lächeln erschien ungewollt auf ihrem Gesicht. »Ihr habt ja keine Ahnung, wie sehr ich es hasse, unrecht zu haben. Aber nächstes Mal, Paula, sollte es ein solches geben, kommen Sie zu mir und besprechen es mit mir, bevor Sie einer von Tonys vagen Vermutungen nachgehen. Er hat nicht immer recht. Und ich werde immer zuhören.« Während sie dies sagte, sah sie, dass Paula die Schultern sinken ließ. In Carol glühte noch immer heiße Wut, aber die hob sie sich für den auf, der sie wirklich verdient hatte. »Also. Wer ist Jack Anderson, und wo finden wir ihn?«
    »Da haben wir ein Problem«, gestand Chris seufzend. »Stacey sagt, er existiert nicht.«
    »Und was bedeutet das?« Carol war immer noch gereizt und nicht zu Ratespielchen aufgelegt. »Wir haben ein Foto von ihm. Das muss ja irgendwoher stammen.«
    »Wir haben mit der Person gesprochen, die es uns geschickt hat. Und mit der dritten Person auf dem Originalfoto. Beide sagen das Gleiche. Sie waren mit Jack Anderson zur Schule gegangen, und später kam er oft zum gleichen Pubquiz wie sie. Immer dienstagabends im Red Lion in Downton. Er war in einem Team, das sich ›The Funhouse‹ nannte. Vor ungefähr drei Jahren erschien er dann nicht mehr. Unsere Leute fragten bei ›The Funhouse‹ nach, warum Anderson ausgestiegen sei, und dort sagte man ihnen, er sei nach Stockport gezogen. Und da verliert sich dieser Teil der Spur«, berichtete Paula.
    Chris fuhr fort: »Laut Stacey ging er nämlich gar nicht nach Stockport. Oder wenn, dann hat er sich nicht auf der Wahlliste eintragen lassen, zahlt keine Gemeindesteuer, steht nicht im Telefonbuch, wird nicht bei der Umsatzsteuer geführt und hat seit vier Jahren keine Steuererklärung abgegeben. Er hat weder Bankrott angemeldet noch besitzt er eine gültige Kreditkarte. Macht einem das nicht Angst, was diese Frau an einem Samstagvormittag alles

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