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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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herausfinden kann?«
    Carol tat so, als erschaudere sie. »Ich versuche gar nicht daran zu denken. Was ist mit Familie? Alten Schulfreunden?«
    »Daran arbeiten wir«, versicherte Paula. »Der Mann, der uns das Foto geschickt hat, erzählte uns, Andersons Vater sei in der Armee gewesen. Offenbar fiel er im ersten Golfkrieg, nicht lange nachdem Anderson in die Harriestown High School gekommen war. Unsere Quelle ist nicht sicher, ob er sich richtig erinnert, aber er meint, es sei bei einem Beschuss durch eigene Truppen passiert.«
    »Das muss wehtun«, meinte Carol. »Und seine Mutter?«
    Chris sah in ihr Notizbuch. »Ich versuche noch, Einzelheiten dazu zu bekommen, aber man hat uns gesagt, sie hätte im Sommer nach Andersons erstem Studienjahr Selbstmord begangen. Klingt, als hätte sie gewartet, bis er aus dem Gröbsten heraus war, und dann tat sie, was sie tun musste. Wir sind nicht sicher, an welcher Universität er studiert hat. Der eine Schulkamerad dachte in Leeds, der andere in Manchester. Und wir sind auch nicht sicher, welches Fach. Es könnte Biologie gewesen sein oder auch Zoologie. Hätte aber genauso gut auch Textiles Werken sein können, ehrlich gesagt. Ich glaube, die beiden haben einfach ihrer Phantasie freien Lauf gelassen.« Sie schüttelte angewidert den Kopf. »Warum versuchen sie so krampfhaft, es uns recht zu machen?«
    »Wahrscheinlich weil wir die Macht haben, sie in den Knast zu bringen«, sagte Paula spitz.
    »Gut, gut, es reicht jetzt mit der Comedy-Einlage. Geht los, ihr beiden. Und kehrt nicht wieder, bevor ihr alles habt, was es über Jack Anderson zu wissen gibt. Einschließlich seiner jetzigen Adresse.« Carol stand auf und nahm ihre Jacke vom Kleiderhaken. »Ich fahre mal schnell bei Robbies Eltern vorbei. Vielleicht erinnern sie sich an Jack Anderson. Man weiß ja nie. Und dann werde ich mit jemandem über den vorschriftsmäßigen Einsatz von Polizeibeamten sprechen. Gut, dass er sowieso schon im Krankenhaus liegt, da kann er sich gleich wieder zusammenflicken lassen.«

    Der ehemalige Superintendent Tom Cross besaß eines der teuersten Häuser in Bradfield. Er verdankte es einem spektakulären Gewinn im Fußballtoto einige Jahre vor seiner Zwangspensionierung. Seine Pension sicherte ihm und seiner Frau ein bequemes Leben. Aber nichts hätte ihn davon überzeugen können, dass er Glück gehabt hatte. Es gibt Menschen, die unfähig sind, Zufriedenheit zu finden, und Tom Cross war so einer.
    Er starrte übellaunig aus dem Badezimmerfenster auf einen perfekt gepflegten Rasen, der sanft zum Flüsschen Brade abfiel, wo ein schönes kleines Boot an einem Betonlandungssteg vertäut war. Ein miserabler Tag für das Spiel, dachte er. Egal wie fest er sich einpacken würde, seine Nase wäre bis zur Halbzeit ein Eisklumpen.
    Cross sah wieder in den Spiegel, schaltete seinen Rasierapparat an und bearbeitete seine feisten Hängebacken. Seine blassgrünen Augen standen etwas vor, der Grund für seinen alten Spitznamen Popeye. Wie sein Namensvetter aus der Comic-Serie hatte er noch immer die massive Schulterpartie und die muskulösen Oberarme des Rugbystürmers, der er einst gewesen war. Der Spiegel zeigte nicht den mächtigen Bauch, der durch jahrelangen Konsum von Fastfood und Bier entstanden war. Cross hatte schon immer dazu geneigt, der Wahrheit auszuweichen, sobald sie ihn in Verlegenheit brachte. Manche würden sagen, dass dies die Ursache seines beruflichen Desasters gewesen war. Aber Cross selbst gab dem scheinheiligen Biest Carol Jordan die Schuld daran.
    Er rasierte sich schnell und ließ warmes Wasser ins Waschbecken laufen. Dann tauchte er den ganzen Kopf hinein und fuhr sich mit den Fingern durch die grauen Borsten, die seine Glatze umgaben. Keuchend tauchte er aus dem Wasser auf und blies mit seinen kleinen herzförmigen Mund Tröpfchen auf das Marmorbecken. Diese Scheiß-Jordan und der verdammte John Brandon. Zwei selbstgefällige Typen. Jordan hatte seinen Platz eingenommen, und Brandon hatte verbreitet, Tom Cross sei ein Lügner und Betrüger. Dadurch hatte er es ganz schön schwer gehabt, die Art von Arbeit bei einem Sicherheitsdienst zu bekommen, die er verdient hatte. Heute würde er den Vics zuschauen, die sich abrackerten, um ohne Robbie Bishop voranzukommen, und sich dabei den Arsch abfrieren. Aber vorher würde er wenigstens mit jemandem zusammenarbeiten, der seinen Wert anerkannte.
    Der Brief der Harriestown High School war ganz unverhofft gekommen. Seit seinem sechzehnten

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