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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Vergeltungsschläge vermeiden wolle. Ich sage, es geht darum, Beschwerden zu umgehen. Paula nennt sie die grandiose Sturmtruppe, und da liegt sie kaum daneben. Sie sind unheimlich, Tony. Sehr unheimlich. Ich habe sie auf der Scargill-Street-Wache in Aktion gesehen, und ich sag dir, ich habe mich geschämt, Polizistin zu sein.«
    »Und sie haben das operative Kommando übernommen?«, fragte er und stellte sich vor, wie das für jemanden sein musste, der so stolz auf sich und sein Team war wie Carol.
    »Vollkommen. Wir sollen auf Abruf für sie bereitstehen, falls sie wünschen, dass wir etwas tun.« Carol stieß ein bitteres Lachen aus. »Es ist, als wäre man in einem Polizeistaat, und das Beängstigende ist, ich soll zu ihnen gehören.«
    »Und du tust das, was du tun sollst?«, erkundigte sich Tony und versuchte, ganz sachlich und neutral zu klingen.
    »Was glaubst du denn?« Sie wartete die Antwort nicht ab. »Lass sie doch ihr Ding machen, lass sie die üblichen Verdächtigen festnehmen, lass sie alle schikanieren, die zufällig jung, männlich und Moslems sind. Und wir werden das tun, was wir am besten können.«
    Tony wusste, was sie wollte. Was sie brauchte , war, dass er mitfühlte, sich auf ihre Seite gegen jene stellte, die sie als die Bösen ansah. Dass er zu ihr stand, egal ob sie recht hatte oder sich irrte.
    Das Problem war, dass er der Meinung war, sie irre sich. Und wenn ihre Beziehung irgendeinen Wert haben sollte, dann, so glaubte er, müsste sie ihre Wurzeln in der Aufrichtigkeit haben. Manche würden das mangelnde emotionale Verfügbarkeit nennen, und daran war wahrscheinlich auch etwas Wahres. Aber er konnte Carol nicht anlügen, nicht ohne dass er wirklich der Überzeugung war, das Richtige zu tun. Und sie konnte das ihm gegenüber auch nicht, vermutete er. Es gab Gelegenheiten, bei denen es schwierig war, die Wahrheit zu hören, und noch schwieriger, sie auszusprechen. Aber er war überzeugt, dass sie beide beim Rückblick auf diese Momente zugeben würden, auf lange Sicht ihre Verbindung dadurch gefestigt zu haben, dass sie diese Augenblicke überlebt hatten. Tony holte tief Luft und sprang vom Zehn-Meter-Brett. »Und das, was du am besten kannst, ist nicht terroristische Zellen zu untersuchen und zu knacken.«
    Im Zimmer war es für einen Moment vollkommen still. »Willst du damit sagen, dass du das billigst, was hier vor sich geht?« Er brauchte Carol nicht anzusehen, um sich ihre Empörung vorzustellen.
    »Ich denke, die Aufgaben der Polizei sind, wenn die Möglichkeit besteht, dass es sich tatsächlich um Terroristen handelt, von ganz besonderer Art«, erklärte er und versuchte, die Wahrheit, wie er sie sah, zu beschreiben, ohne ihren Zorn weiter anzufachen. »Und ich glaube, sie sollte von Spezialisten durchgeführt werden. Von Leuten, die ausgebildet wurden, die entsprechende Denkweise zu verstehen. Leute, die sich von ihrem Privatleben absetzen, verdeckt ermitteln und infiltrieren können und bereit sind, sich in die Köpfe von Terroristen hineinzudenken, um herauszufinden, wo sie als Nächstes in ihrem Kampf zuschlagen werden.« Er kratzte sich am Kopf. »Ich glaube nicht, dass dies der gleichen Kombination von Fertigkeiten entspricht, die ihr – du und dein Team – habt.«
    »Du willst damit sagen, dass es richtig ist, uns diese empörende Gewalttat wegzunehmen? Dass wir nicht unsere Arbeit in unserer eigenen Stadt tun sollten?«, wollte Carol wissen. Er hörte die Überzeugung in ihrer Stimme, dass sie sich verraten vorkam. Sie leerte ihren Becher und goss sich nach.
    »Ich sage nur, es sollte etwas wie das CTC geben, um mit euch zusammenzuarbeiten. Nur weil die Durchführung so schlecht ist, heißt das noch nicht, dass die ganze Idee schlecht ist«, sagte Tony sanft. »Hier geht es nicht um dich, Carol. Es ist keine Kritik an dir oder deinen Mitarbeitern. Es heißt nicht, dass du schlecht oder nicht kompetent bist oder irgend so etwas. Es geht nur um die Feststellung der Tatsache, dass der Terrorismus etwas anderes ist. Und dass ein anderer Ermittlungsansatz dafür nötig ist.«
    »Ein Urteil, das nicht dich betrifft, nehme ich an. Ich wette, du meinst, du seist genauso gut gerüstet, Profile für Terroristen wie für Serienmörder zu erstellen?«, fragte Carol sarkastisch.
    Tony merkte, dass er in dieser Situation nur verlieren konnte. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine überzeugende Antwort, die Carol veranlassen würde nachzugeben. Er konnte also genauso gut fortfahren, die

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