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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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kannte den nördlichen Teil Manchesters ziemlich gut, aber genau dieses Viertel verwirrend angelegter Straßen mit roten Backsteinhäuschen war ihm nicht vertraut. Er bog in eine schmale Straße ein, in der eine heruntergekommene Serie langweiliger Reihenhäuser einem kleinen Gewerbegebiet gegenüberlag. In der Mitte der Reihe entdeckte er das Schild, das er suchte. PRO-TECH-SUPPLIES stand in Rot auf weißem Hintergrund mit einer Umrandung aus schwarzen Ausrufezeichen.
    Er blieb mit dem Lieferwagen draußen stehen, stellte den Motor ab und lehnte sich tief atmend über das Steuerrad, denn er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Am Morgen hatte er fast nichts gegessen und seine Eile als Grund vorgeschoben, um die bedrückende Sorge seiner Mutter wegen seines in letzter Zeit so schlechten Appetits zu zerstreuen. Natürlich hatte er keinen Appetit mehr, genauso wie er auch nicht mehr als zwei Stunden schlafen konnte. Was konnte er anderes erwarten? So war es eben, wenn man so etwas in Angriff nahm. Aber es war wichtig, keinen Verdacht zu erregen, deshalb versuchte er wenn möglich an den gemeinsamen Mahlzeiten nicht teilzunehmen.
    Er konnte kaum glauben, wie energiegeladen er war, obwohl er so wenig aß und schlief. Manchmal war ihm ein bisschen schwindlig, aber er dachte, das hatte mehr damit zu tun, dass er sich über die Auswirkungen ihres Plans Gedanken machte, als mit dem Mangel an Essen und Entspannung. Jetzt richtete er sich hinter dem Steuerrad auf, stieg aus und ging durch die Tür, an der VERKAUF stand. Sie führte in einen Raum mit zehn Meter langen Wänden, der von dem dahinterliegenden Lager abgetrennt war. Hinter einer mit Zinkblech beschlagenen, den Raum unterteilenden Theke saß ein dünner Mann mit hochgezogenen Schultern an einem Computer. Alles an ihm war grau, sein Haar, seine Haut und sein Arbeitsanzug. Als Yousef eintrat, sah er vom Bildschirm auf. Auch seine Augen waren grau.
    Er stand auf und stützte sich auf den Monitor. Diese Bewegung ließ einen bitteren Geruch von billigem Tabak zu Yousef herüberdriften. »Alles klar?«, fragte Yousef.
    »Alles klar. Was kann ich für Sie tun?«
    Yousef zog eine Liste heraus. »Ich brauche strapazierfähige Schutzhandschuhe, eine Gesichtsmaske und Ohrenschutz.«
    Der Mann seufzte und zog einen Katalog mit Eselsohren heran. »Am besten schauen Sie mal hier rein. Da sind unsere Produkte drin.« Er schlug ihn auf, blätterte in den zerknitterten Seiten, bis er zu den Handschuhen kam, und zeigte auf irgendeine Abbildung. »Sehen Sie, da ist eine Beschreibung. Nach der können Sie sich eine Vorstellung machen, wie dick und dehnbar sie sind. Kommt darauf an, wofür Sie sie brauchen, verstehen Sie?« Er schob Yousef den Katalog hin. »Suchen Sie sich aus, was Sie haben wollen.«
    Yousef nickte. Er begann, den Katalog zu studieren, und war einigermaßen verblüfft von der großen Auswahl, die sich ihm bot. Während er die Beschreibungen der Artikel las, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Aus irgendeinem Grund führte Pro-Tech sein eigenes Projekt nicht in der Liste der Verwendungszwecke für ihre Schutzausrüstung an. Mr. Grey hinter dem Ladentisch würde sich in die Hose machen, wenn er die Wahrheit erführe. Aber er würde sie nie erfahren. Yousef war vorsichtig gewesen. Hatte keine Spuren hinterlassen. Ein Hersteller für Spezialfarben in Oldham. Ein Laden für Motorradzubehör in Leeds. Ein Zulieferer für Laborbedarf in Cleckheaton. Aber kein einziger in Bradfield, da dort das Risiko bestand, von jemandem gesehen zu werden, der ihn kannte. Jedes Mal hatte er sich seiner Rolle entsprechend angezogen. Ein Maleranzug, eine Motorrad-Lederkluft, ein ordentlich gebügeltes Hemd und Chinos, ein Etui mit einigen Stiften in der Hemdtasche. Barzahlung. Der Unsichtbare.
    Jetzt traf er seine Entscheidung, zeigte auf die Sachen, die er brauchte, und fügte obendrein noch einen Brustschutz hinzu. Der Lagerist gab die Einzelheiten in den Computer ein und sagte Yousef, seine Ware würde gleich da sein. Er schien verlegen, als Yousef Barzahlung anbot. »Haben Sie keine Kreditkarte?«, fragte er ungläubig.
    »Nicht von der Firma, nein«, log Yousef. »Tut mir leid. Ich hab nur Bargeld.« Er zählte die Banknoten auf den Tisch.
    Der Lagerist schüttelte den Kopf. »Das muss es dann eben tun. Ihr mögt wohl alle nur Bargeld, was?«
    Yousef runzelte die Stirn. »Ihr alle? Was meinen Sie damit?« Er spürte, wie sich seine Hände in den Taschen zu Fäusten

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