Schleichendes Gift
Alltagsdinge? Die solltest du solchen wie mir überlassen.«
»Denen, die gern die Lorbeeren einheimsen, ohne die Arbeit zu machen, meinst du?« Stacey lächelte, um ihre Worte etwas abzumildern.
Sam sah beleidigt aus. Sie konnte es kaum fassen, dass er die Stirn besaß, so etwas zu sagen. Alle wussten, dass er einer war, der immer dem Ruhm hinterherjagte. Er fasste sich an die Brust, als hätte sie ihm das Herz gebrochen. »Ich kann’s nicht glauben, dass du das gesagt hast.«
»Sam, was bringt es, sich zu verstellen? Ich bin nicht von gestern. Ich erinnere mich an die Ermittlungen zum Creeper, als du versucht hast, die Chefin zu hintergehen. Man muss vollkommen blind sein vor Ehrgeiz, es mit so etwas Verrücktem zu probieren.«
Er sah verlegen drein. »Das war damals. Glaub mir, Stace, aus der Schlappe hab ich meine Lektion gelernt. Komm, lass mich dir helfen. Mir ist langweilig.«
»Es wäre dir noch viel langweiliger, wenn ich dir das gesammelte Gelaber von Robbie Bishop weiterreichen würde. Das weiß ich jetzt schon.«
Die Tür öffnete sich, und sie sahen beide auf, als Chris Devine hereinkam und mit ihrer Wachsjacke, der Cordhose und den grünen Gummistiefeln wirkte, als wolle sie einen Spaziergang auf dem Land machen. Sie sah ihren Gesichtsausdruck und zog eine Grimasse. »Ich weiß, ich weiß. Ich hab verschlafen, der Hund brauchte Auslauf, Sinead ist geschäftlich in Edinburgh, was also sollte ich machen?« Sie zog ihre Gummistiefel aus und schlüpfte in ein Paar Schuhe, die sie einer Supermarkttüte entnahm. Unter der Jacke trug sie einen äußerst respektablen Kaschmirpullover.
»Das ist aber eine Verwandlung«, zollte Sam Beifall.
»Ja, als alte Schlampe, die ich bin, kann ich mich doch ganz gut umkrempeln«, erwiderte Chris. »Was habt ihr beiden vor?« Sie ging auf den Wasserkessel und die Kaffeemaschine zu, die sie zur Ausstattung beigesteuert hatte.
»Ich biete Stacey an, ihr zu helfen, aber sie lässt mich nicht«, berichtete Sam. Stacey presste die Lippen aufeinander. Er klang, als sei sie das Problem.
»Das überrascht mich nicht«, meinte Chris. »Du und Computer? Nach dem, was ich gesehen habe …«
»Er kennt sich besser aus, als er sich anmerken lässt«, wandte Stacey ein und war selbst überrascht von ihrer Freimütigkeit. Sam warf ihr einen Blick zu, der kein bisschen Herzlichkeit zeigte, sondern nur kalte Berechnung. Sie sah, dass Chris die Situation überdachte. So, wie sie Chris bisher kennengelernt hatte, überlegte sie wohl nur, wie sie die Spannung zwischen ihr und Sam am besten kreativ nutzen konnte. Und zwar so, dass es der Ermittlergruppe zum Vorteil gereichte. Stacey hatte Angst vor dem, was jetzt kommen würde.
»Was willst du denn machen, Sam?«, fragte Chris und sah sie beide an.
»Ich dachte, wenn ich die E-Mails durchlesen würde, könnte ich Stacey Luft verschaffen für die komplizierten Sachen«, erklärte Sam mit treuherzigem Blick.
Chris sah Stacey an. »Und das ist ein Problem … Wieso?«
Weil er, sollte er etwas finden, dafür sorgen wird, dass ich schlecht dastehe und er die ganze Anerkennung einheimst. Weil ich ihm nicht traue. Weil ich fürchte, ich könnte ihn vielleicht zu sehr mögen, und nicht will, dass er sich in meinem Terrain umtut . »Aus Gründen der Sicherheit, Sergeant. Wir wollen nicht, dass diese Dinge im System herumliegen. Bei einem Fall wie diesem ist Hintergrundinformation, die in die falschen Hände gerät, sofort überall in den Boulevardblättern, bevor wir überhaupt daran denken.«
»Das begreife ich schon, aber Sam gehört doch zu uns, Stacey. Er weiß doch, wie wichtig Vertraulichkeit ist. Ich verstehe nicht, was daran problematisch ist. Wenn Sam nichts anderes zu tun hat, kann er doch ganz gut deine Routinearbeit übernehmen.«
»Kein Problem, Sergeant.« Stacey richtete den Blick wieder auf ihre Monitore, denn sie wollte Chris nicht zeigen, wie verärgert sie war. »Ich drucke alle relevanten Dateien aus«, bot sie an – ein letzter verzweifelter Versuch, ihm den direkten Zugriff zu verwehren.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Sam. »Brenn mir einfach eine CD oder schick sie mir als E-Mail-Anhang. Ich hab nichts dagegen, sie am Monitor zu lesen.«
Stacey wusste, wann sie sich geschlagen geben musste. Aber mal ehrlich, was brachte es schon, Lesben im Team zu haben, wenn sie sich auf die Seite der Männer schlugen? »In Ordnung«, murmelte sie.
Als Carol eine Stunde später kam, musste sich Stacey schon über viel
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