Schleichendes Gift
bezeichnet und so weiter. Jeder wusste, was getan werden musste, und sie waren bereit es zu tun.
Und so saß Yousef im Dachcafé der Bradfield City Art Gallery am dritten Tisch links an der Wand, unauffällig zwischen den Menschen, die am späten Vormittag ihren Kaffee tranken, und hatte der Selbstbedienungstheke und der Kasse den Rücken zugewandt. Vor ihm standen eine Cola und ein Stück des als Kalorienbombe bekannten Zitronenkuchens mit Zuckerguss. Er hatte erst zwei Bissen davon genommen, doch der Kuchen blieb ihm im Halse stecken wie ein süßer Brocken Sandstein, denn er hatte nicht nur zu Hause Probleme mit dem Essen. Die Morgenausgabe des Guardian hatte er bis auf den Sportteil auf dem Tisch ausgebreitet und tat so, als sei er mit dem Lesen der Beilage beschäftigt. Dabei hielt er die linke Hand so, dass er sehen konnte, wie spät es auf seiner Uhr war. Vor nervöser Anspannung wippte er mit dem rechten Bein.
Als der Minutenzeiger auf zehn nach rückte, wurde ihm heiß im Gesicht, und auf Nacken und Schultern brach ihm der Schweiß aus. Vor Anspannung verkrampfte sich sein Magen.
Es dauerte nur wenige Sekunden. Eine Frau in einem weiten Regenmantel rauschte dicht an seinem Tisch vorbei. Er sah sie nur von hinten, als sie durch die Türen auf die Dachterrasse hinausging, wo sie sich mit dem Rücken zu ihm hinsetzte, eine Flasche Mineralwasser vor sich auf dem Tisch. Ein dunkles Kopftuch verbarg ihren Kopf. Er wünschte, er könnte hingehen und sich zu ihr setzen, um das Gefühl der Einsamkeit zu mildern.
Auf dem Tisch vor Yousef lag der Sportteil der Zeitung. Er zwang sich, den Rest des Kuchens zu essen, und spülte ihn mit Cola hinunter. Dann faltete er seine Zeitung betont lässig zusammen, wobei er zu verbergen versuchte, wie übel ihm von dem vielen Zucker war, und schlenderte zum Ausgang.
Er konnte nicht warten, bis er zum Lieferwagen zurückkam, sondern schlüpfte draußen vor dem Café in die Herrentoilette und schloss sich ein. Mit schweißfeuchten Fingern blätterte er nervös und ungeschickt raschelnd den Sportteil durch. Da fand er – ironischerweise zwischen einem zweiseitigen Artikel über Bradfield Victorias Chancen auf die Premier League ohne Robbie Bishop – eine Plastikhülle mit den Unterlagen, die ihm erlauben würden, morgen an den Ort zu gelangen, den er aufsuchen musste. Ein Fax, angeblich von Bradfield Victorias Geschäftsführer an seine Firma für Elektroarbeiten, in dem über ein dringendes Problem mit einem Verteilerkasten unter der Albert-Vestey-Tribüne berichtet wurde. Und ein zweites Fax von ihrem Elektriker an A1 Electricals über die Weitergabe des Auftrags an den Subunternehmer.
Yousef atmete erleichtert auf und entspannte sich. Es würde funktionieren. Es würde unglaublich sein. Morgen würde die Welt anders aussehen. Inschallah .
Tony nahm all seinen Mut zusammen und schwang das gesunde Bein auf den Boden. Das allein jagte trotz der stabilisierenden Schiene einen stechenden Schmerz durch das andere Bein. Er biss die Zähne zusammen, half mit den Händen nach und zog das verletzte Bein in einem großen Bogen nach. Als er es über den Rand der Matratze schob, ließ er es los und fiel fast nach vorn, kam aber durch die Schwerkraft in eine mehr oder weniger aufrechte Position. Schweiß brach ihm auf der Stirn aus, und er wischte ihn mit dem Handrücken weg. Dies musste er vor seiner Entlassung können.
Er machte eine Pause und verteilte sein Gewicht auf das Gesäß und den rechten Fuß. Als seine Brust sich nicht mehr so heftig hob und senkte, nahm er die Krücken, deren Benutzung man ihm am gleichen Tag beigebracht hatte. Vorsichtig packte er sie und achtete darauf, dass die Unterarme richtig in den Armschalen lagen. Dann die Gummistoppel auf den Boden setzen und tief Luft holen.
Tony drückte sich hoch und war erstaunt, wie sicher er stand. Er setzte die Krücken vor, schwang das gute Bein nach, ließ das verletzte folgen, berührte bei minimaler Belastung des beschädigten Knies mit den Zehen den Boden. Ein stechender Schmerz. Aber nicht unerträglich. Zähneknirschend und mit zusammengekniffenen Pobacken war es auszuhalten.
Fünf Minuten später hatte er es zur Toilette geschafft. Der Rückweg dauerte acht Minuten, aber schon in dieser kurzen Zeit merkte er, dass seine Bewegungen gleichmäßiger und sicherer wurden. Wenn Carol nächstes Mal kam, würde er etwas haben, das er ihr vorführen konnte. Er würde ihre Hilfe brauchen, wenn er nach Hause ging. Es
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