Schleichendes Gift
Firma für Spezialfarbenbedarf. Schwefelsäure für Batterien aus einem Geschäft für Motorradzubehör. Daneben reihte er ein Becherglas, ein Messrohr, ein Thermometer, einen Rührstab und eine Pipette auf, alle aus Glas, und stellte ein dicht schließendes Einmachglas hinzu. Es war ein sehr seltsames Gefühl. Noch nie im Leben hatte er etwas so Erwachsenes getan, und doch kam es ihm so vor, als sei er wieder im Chemiesaal der Schule. Ein Bengel als verrückter Wissenschaftler.
Er trat vom Tisch weg und nahm seine Handschuhe und den Gehörschutz ab. Er brauchte etwas zur Beruhigung seiner Nerven und holte seinen iPod aus dem Rucksack, steckte die kleinen Hörer in die Ohren und stellte Zufallswiedergabe von seiner persönlichen Liste mit entspannenden Titeln ein. Langsame Rhythmen von Talvin Singh umfingen ihn. Imran würde über die Musik lachen, die er ausgewählt hatte, aber das war ihm egal. Yousef setzte seinen Gehörschutz wieder auf, zog die Handschuhe an und machte sich an die Arbeit.
Zuerst füllte er das Waschbecken mit Eis und goss etwas kaltes Wasser dazu, damit es besser als Kühlflüssigkeit funktionierte. Dann stellte er das leere Becherglas in das Eisbad und holte tief Luft. An diesem Punkt gab es kein Zurück mehr. Von jetzt an war er also ein Bombenbauer. Wie gut auch seine Beweggründe sein mochten, in den Augen der Welt überschritt er die Grenze, hinter der es keine Wiedergutmachung mehr gab. Da passte es gut, dass er sich einen Dreck darum scherte, was die Welt von ihm hielt. Dort, wo es darauf ankam, würde er für alle Zeiten als Held gelten, als ein Mann, der das tat, was getan werden musste, und damit gab er in gewisser Hinsicht auch ein Statement ab.
Er maß Wasserstoffperoxid ab und goss es in das Becherglas. Er musste heftig schlucken, machte es dann aber mit dem Aceton genauso. Sorgfältig stellte er das Thermometer in das Glas und wartete, bis die Temperatur auf die richtige Gradzahl gefallen war. Er stand da und summte leise Migration von Nitin Sawney mit. Nur nicht an das denken, was nach diesem Prozess geschehen würde.
Jetzt kam der schwierige Teil. Er nahm mit der Pipette genau die richtige Menge Schwefelsäure auf. Einen Tropfen nach dem anderen fügte er sie langsam der Mischung zu und behielt dabei die Temperatur im Auge. Beim Übersteigen von zehn Grad würde sie explodieren. An diesem Punkt wurden die meisten Amateure, die Bomben zu basteln versuchten, zu hektisch, gaben zu viel zu schnell hinein und hingen später in Stücke gerissen an den Wänden. Yousef war absolut sicher, dass ihm das nicht passieren würde. Seine Finger zitterten, aber er passte jedes Mal genau auf, dass er nach dem Zugeben eines Tropfens die Pipette vom Becher wegnahm.
Als die Rezeptur komplett war, begann er mit dem Rührstab umzurühren. Fünfzehn Minuten waren vorgeschrieben. Er stellte die Uhr. Dann nahm er unendlich langsam und vorsichtig den Glasbecher aus dem Bad, stellte ihn in den Kühlschrank und vergewisserte sich noch einmal, dass die Temperatur so niedrig wie möglich eingestellt war. Morgen Abend würde er wiederkommen und den nächsten Abschnitt über die Bühne bringen. Aber fürs Erste hatte er alles getan, was er tun konnte.
Yousef schloss den Kühlschrank und spürte, wie sich seine Schultern vor Erleichterung entspannten. Er hatte sich auf die Anweisung verlassen, war aber kein Dummkopf und hatte sie vorher mit anderen verglichen, die er im Internet gefunden hatte. Aber er wusste auch, dass bei der Vorbereitung von Sprengstoff etwas schiefgehen konnte und das auch tatsächlich vorkam. Was für eine sinnlose Verschwendung wäre das gewesen. Er zog seine Schutzkleidung aus und warf alles auf das zerwühlte Bett.
Es war an der Zeit, nach Hause zu gehen und wieder der pflichtbewusste Sohn und Bruder zu sein. Noch zwei Abende, dann war Schluss damit. Er liebte seine Familie. Er wusste, dass sein Vorhaben die anderen daran zweifeln lassen könnte, aber für Yousef selbst stand es unwiderruflich fest. Er liebte sie und hasste den Gedanken, sie zu verlieren. Aber es gab Dinge, die stärker waren als Familienbande. Erst in letzter Zeit hatte er herausgefunden, wie stark sie tatsächlich waren.
Freitag
D er schmutzig graue Himmel über der Stadt begann in der Ferne schon blasser zu werden, als Carol im Schatten der Grayson-Street-Tribüne anhielt. Bevor sie den Motor abgestellt hatte, machte sich eine uniformierte Polizistin, die mit ihrer schweren, an ihrem Gürtel hängenden
Weitere Kostenlose Bücher