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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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damit er sie beurteilte. Wieder zog sie das Telefon heraus und wählte. »Kevin«, sagte sie. »Tut mir leid, Sie zu Hause zu behelligen. Ich möchte, dass Sie auf Ihrem Weg zur Arbeit bei den Kollegen in Uniform vorbeischauen und ein paar Männer organisieren, die zum Victoria Park kommen und Fotos von den Sachen machen. Jede Karte und jeder Brief soll fotografiert und alles, was irgendwie verdächtig aussieht, für unser Team mitgenommen werden, damit wir es uns anschauen können. Bis später.« Sie klappte das Handy zu und ging zu ihrem Wagen zurück. Es war Zeit, nach Hause zu gehen und ihre Zivilkleidung anzuziehen. Zeit, sich zu beweisen, dass sie die harten Nüsse immer noch ohne Tony knacken konnte, wenn sie musste.

    Stacey Chen war ausnahmslos immer als Erste im Büro. Sie kommunizierte gern mit ihren Computern in Ruhe und Frieden. Als sie an diesem Freitag die Räume betrat und Sam Evans schon dort vorfand, das Wasser bereits kochte und ein Teebeutel mit Earl Grey in ihrer Tasse bereitlag, war sie sofort auf der Hut. In diesem Team kam es zwar nicht oft vor, aber überall, wo sie sonst eingesetzt worden war, hatten die Kollegen immer Schlange gestanden, um sie um diverse Gefallen zu bitten. Alle brauchten das, was die Elektronik für sie tun konnte, wollten sich aber nicht die Mühe machen herauszubekommen, wie sie die Computer wirklich für sich arbeiten lassen konnten. Sie nutzten Stacey einfach als Abkürzung. Und das ärgerte sie mehr, als sie sich jemals anmerken ließ.
    Sie nahm die Tasse Tee kühl dankend an, setzte sich hinter ihren beiden Monitoren verborgen zurecht und machte nur eine Pause, um die Jacke ihres strengen Prada-Kostüms aufzuhängen. Sam schien ganz zufrieden an seinem eigenen Rechner zu arbeiten, also beachtete Stacey ihn nicht weiter, sondern konzentrierte sich stattdessen auf die Tiefenanalyse der inneren Geheimnisse von Robbie Bishops Festplatte. Er hatte in letzter Zeit einige Fotos gelöscht, und sie war entschlossen, die verbliebenen Bruchstücke wieder sinnvoll zusammenzusetzen. Wahrscheinlich brachte es nichts, aber Stacey gab nie gern eine Niederlage zu.
    Sie war so vertieft, dass sie es noch nicht einmal merkte, als Sam aufstand und zu ihrem Platz herüberkam, bis er direkt neben ihr stand, sich über sie beugte und einen würzigen Duft nach Zitrone und Männlichkeit verströmte. Stacey spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten, als müsse sie sich auf einen Schlag gefasst machen. Sei nicht blöd , sagte sie sich. Es ist nur Sam, um Himmels willen. Er wird dich ja nicht fragen, ob du mit ihm ausgehen willst oder so etwas . Das hätte ihr durchaus behagt, hätte sie nur den Gedanken beiseiteschieben können, dass er eher etwas aus der virtuellen Welt statt in der realen von ihr wollte. »Was ist denn?«, fragte sie wenig entgegenkommend.
    »Ich hab nur gedacht, dass du vielleicht Hilfe möchtest, wenn du all diese E-Mails von Robbie und so durchgehst.«
    Staceys Augenbrauen schnellten hoch. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass Sam ihr jemals Hilfe bei irgendeiner Routinearbeit angeboten hatte. »Ich komme schon klar, danke«, antwortete sie so steif wie der Kragen eines Geistlichen.
    Sam hob die Hände mit einer Geste, die wohl versöhnlich gemeint war. »Das weiß ich«, sagte er. »Ich wollte nur vorschlagen, dass ich dir dabei helfen könnte, das Zeug zu lesen. Ich überlasse es natürlich vollkommen dir, wenn es um etwas Kompliziertes geht. Aber ich dachte, vielleicht könntest du Unterstützung bei den Sachen brauchen, die jedes Arbeitstier kapiert.«
    »Geht schon, danke. Alles unter Kontrolle. Robbie Bishop war ja nicht gerade ein Meister seines Rechners«, entgegnete Stacey und verbarg ihre Verachtung für die weniger Computerkundigen nicht. Wenn es nichts brachte, seine Hilfe direkt abzulehnen, würde sie vielleicht mehr Glück mit indirekten Kränkungen haben.
    Sam zuckte mit den Schultern. »Wie du willst. Es ist nur so, dass ich nicht weiterarbeiten kann, bis jemand mit mehr Information kommt. Und geben wir’s doch zu …«
    Er hatte allerdings ein nettes Lächeln, dachte sie. Sehr einnehmend, wenn man zu denen gehörte, die sich einnehmen lassen wollten.
    »Was sollen wir zugeben?«, musste Stacey fragen.
    »Na ja, es ist doch, offen gestanden, Verschwendung, dass du an so was arbeitest. Wie gesagt, jeder Roboter könnte das machen. Aber die anderen Sachen, die Sachen, von denen Idioten wie ich keine Ahnung haben, dafür brauchen wir dich. Die

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