Schleichendes Gift
zu Robbies Tod vollständig.«
Paula zauderte. Sie musste sich gegen seine zwingende Logik und gegen ihr eigenes Gefühl, ihm Dank zu schulden, verteidigen. Denn er hatte ihr wieder aufs Trockene geholfen, als sie in ihrem eigenen Elend und Selbstmitleid zu ertrinken drohte. »Du hast leicht sagen ›kein Schaden entstanden‹. Schließlich steht nicht deine Karriere auf dem Spiel. Ich kann nicht einfach im Zuständigkeitsbereich einer anderen Polizei drauflos agieren und hoffen, dass es der Chefin nicht zu Ohren kommt.«
»Wieso sollte sie davon erfahren? Zunächst bitte ich dich nur, mit verschiedenen Leuten zu reden. Im Pub am Ort, mit den Spaziergängern, die ihre Hunde ausführen, und mit Jana Jankowicz. Ich sage ja nicht: ›Geh runter zur Polizei in Sheffield und sag denen, sie hätten Mist gebaut, und frag sie, ob sie dir bitte die Unterlagen zu dem Mord zeigen könnten, den sie übersehen haben.‹«
»Trotzdem«, murrte Paula. »Also, das wäre ja beruflicher Selbstmord.«
»Siehst du? Das verlange ich ja gar nicht. Nur ein paar Fragen, Paula. Du musst doch zugeben, es lohnt sich, mal nachzuschauen.«
Und damit hatte er sie geködert. Sie verehrte Carol Jordan und wusste, dass sie in ihre Chefin vielleicht ein bisschen verknallt war. Aber wie er schon angedeutet hatte, wusste sie besser als irgendjemand sonst, dass sich ihr Detective Chief Inspector manchmal irrte. Ohne es zu merken, rieb Paula ihr Handgelenk. Die Wunde war schon lange verheilt, aber am Ansatz der Handfläche und am Handgelenk verlief noch ein Netz feiner, kaum sichtbarer Narben. »Es ist ziemlich dürftig.« Sie versuchte, es so auszudrücken, dass sie zwar zugab, er hätte da vielleicht etwas gefunden, ohne aber direkt zu sagen, Carol Jordan hätte unrecht.
»Nach dem, was Carol mir erzählt hat, ist dürftig besser als das, was ihr habt.«
Paula ging ruhelos im Raum umher. »Vielleicht nicht. Sie und Sam sind wegen einer heißen Spur zusammen nach Newcastle gefahren. Ein Stalker von Bindie Blyth, der Robbie draußen vor dem Teamhotel eine gescheuert hat.«
Tony schüttelte den Kopf. »Zeitverschwendung. Ich habe es ihr gesagt, als sie anrief, um mir zu erklären, dass sie heute Abend nicht kommen würde. Wenn Stalker ausrasten, wollen sie, dass alle Welt erfährt, wozu sie aus Liebe fähig sind. So wie Hinckley, der versuchte, Reagan umzubringen, damit Jodie Foster ihn lieben sollte. Sie sind keine Geheimniskrämer, sie sind Typen, die ihr Anliegen von den Dächern schreien. Wer immer Robbie ermordet hat, hat es nicht getan, um damit Bindie zu beeindrucken.«
»Und wann genau soll ich gehen und diese Gespräche führen?«, fragte Paula. Und sobald sie es ausgesprochen hatte, war ihr klar, dass sie kapituliert hatte.
Tony breitete die Hände aus, ein typisches Bild verblüffter Unschuld. »Vielleicht heute Abend? Jetzt hast du dienstfrei.«
»Ich habe nicht dienstfrei«, erklärte Paula mit schmalen Lippen durch die Zähne. »Ich sollte nicht mal hier sein, sondern Chris bei der Lawine von E-Mails von der »Best Days«-Website helfen. Wir sollen heute Abend mit einem Stapel Fotos wieder ins Amatis gehen, um zu sehen, ob wir jemanden finden, der sie identifizieren kann.«
Tony zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Na, dann vielleicht morgen?«
Paula trat gegen das Bettende und hoffte, es würde ihm wehtun. »Hör auf, den Dummen zu spielen, Tony. Du weißt genau, wie es bei uns läuft. Wenn wir einen großen Fall haben, arbeiten wir rund um die Uhr. Beim Sondereinsatzteam gibt es so etwas wie Überstunden nicht. Wir schlafen wieder, wenn alles vorbei ist.«
Tony schüttelte den Kopf. »Gute Rede, Paula. Könnte sogar jemanden überzeugen, der nicht weiß, wie diese Truppe funktioniert. Ihr redet viel über Teamarbeit. Ihr haltet das Konzept eines Teams hoch. Aber ich habe euch aus der Nähe im Einsatz gesehen. Ihr seid wie Real Madrid. Ein Haufen Stars, und jeder reitet auf seinem eigenen Steckenpferd in den Sonnenuntergang. Manchmal reitet ihr alle in die gleiche Richtung, dann sieht es aus, als wärt ihr ein Team. Aber das ist eher Zufall als Absicht.«
Paula blieb wie angewurzelt stehen, schockiert, Tony so über Carol Jordans ganzen Stolz reden zu hören. Sie hatte nicht geglaubt, dass er es fertigbringen würde, so schonungslos über die Gruppe zu sprechen. »Du irrst dich«, widersprach sie. Es war nicht einmal Trotz, nur ein automatisches Ableugnen.
»Ich täusche mich da nicht. Jeder von euch versucht verzweifelt,
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