Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
lang spielte er den lieben Jungen, dann fand er eine neue Arbeit und zog nach Newcastle um. Aber jetzt kommt der Clou, Chefin.« Er machte eine dramatische Pause. »Er ist Laborratte bei einer Pharmafirma.«
    Die Erfahrung hatte Carol gelehrt, dass es bei Ermittlungen in Mordfällen mehr trügerische Hoffungen gab als anständige Mahlzeiten in der Polizeikantine. Aber da nichts Konkreteres vorlag, dem sie nachgehen konnten, war sie nur allzu bereit, diesen Hinweis zu verfolgen. »Sehr gute Arbeit, Sam. Ich möchte, dass Sie nach Northumbria fahren, mal sehen, ob man uns dort mit einer Adresse weiterhelfen kann.«
    Sams Lächeln erinnerte sie an Nelson, wenn man ihm eine Schüssel Hühnerleber vorsetzte. Er schob ihr ein zweites Blatt entgegen. »Dienst- und private Adresse«, sagte er.
    Jetzt erlaubte sie sich, sein Lächeln zu erwidern. Die Frage war nur, ob sie die Kollegen in Northumbria auffordern sollte, ihn zu überstellen. Es dauerte nicht lange, eine Entscheidung zu treffen.
    Carol beschloss, sich Rhys Butlers Wohnung selbst anzusehen. Sie wollte nicht irgendjemanden von den Uniformierten beauftragen, der nicht wusste, wonach genau er eigentlich suchen sollte. Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Also, worauf warten wir?«

    Yousef öffnete den Kühlschrank. Der Glasbecher stand im Fach, fast ganz mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt, und das kristalline Pulver, das er brauchte, hatte sich auf dem Boden abgesetzt. Vorsichtig nahm er den Becher heraus und stellte ihn auf die Arbeitsfläche. Er hatte schon einen Glastrichter mit Papierfilter zurechtgelegt. Er schloss die Augen und murmelte ein Gebet, in dem er den Propheten um Fürsprache bat, damit sein Plan gelänge. Dann nahm er den Becher und goss die Flüssigkeit durch den Filter.
    Es ging schneller, als er erwartet hatte. Er spähte durch die Scheibe seines Gesichtsschutzes auf das Häufchen weißer Kristalle. Es sah nicht aus, als sei es genug, um die Verwüstung anrichten zu können, die man ihm vorausgesagt hatte. Aber was verstand er schon davon? Bei Stoffen und Textilien kannte er sich aus, aber hier musste er sich auf das verlassen, was man ihm gesagt hatte. Sonst wäre alles sinnlos gewesen. Die schlaflosen Nächte, die Wandlung seiner Gemütsverfassung, der Schmerz, den er seiner Familie zufügen würde. Er konnte nicht der Einzige unter ihnen sein, der so fühlte, aber er musste einfach seine Schwächen überwinden und sich auf das Ziel konzentrieren.
    Sachte nahm er das Filterpapier aus dem Trichter und gab den Inhalt in eine Schüssel mit eiskaltem Wasser. Er schwenkte die Kristalle darin und wusch sie von der Flüssigkeit rein, aus der sie ausgeschieden worden waren. Dann verteilte er den Sprengstoff zum Trocknen auf einem Dutzend Papierteller, damit das Risiko einer zufälligen Explosion möglichst gering war.
    Er schob seinen Gesichtsschutz hoch und schüttelte erstaunt den Kopf. Er hatte es geschafft. Er hatte genug TATP hergestellt, um ein Loch in die Haupttribüne des Victoria-Park-Stadions zu sprengen. Jetzt musste er nur noch am Morgen die restlichen Einzelteile zusammenbauen.
    Dann konnte er alles an den Ort transportieren, an dem sich zeigen würde, dass man keineswegs dabei war, den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen. Yousef erlaubte sich ein schiefes Lächeln. Er würde ihnen deutlich machen, was Angst und Schrecken wirklich bedeuteten.

    »Du bist verrückt«, sagte Paula bestimmt. Oft genug hatte sie das schon gedacht, aber ein geeigneter oder günstiger Moment, es zu sagen, hatte sich nie ergeben.
    »Welche Seite ist die verrückte?«, fragte Tony sanft.
    »Welche Seite ist es nicht?« Sie sah sich um. »Hast du einen Rollstuhl? Können wir hier raus?«
    »Nein auf beide Fragen. Du brauchst doch keine Zigarette, um dich mal kurz zu unterhalten.«
    »Doch, wenn es um etwas so Verrücktes geht, schon«, erwiderte sie.
    »Du wiederholst dich. Aber nur weil Carol Jordan eine Idee nicht weiterverfolgen will, ist es noch lange kein verrückter Einfall. Sie ist nicht unfehlbar.« Was du besser weißt als irgendjemand sonst, blieb ungesagt, lag aber in der Luft.
    Paula deutete auf sein Bein. »Und auch du bist nicht unfehlbar.«
    »Hab ich ja auch nie behauptet. Aber es ist doch so, Paula, der Sache muss nachgegangen werden. Wenn ich es selbst tun könnte, würde ich es machen. Aber ich kann nicht. Betrachte es doch so: Wenn ich mich irre, ist kein Schaden entstanden. Aber wenn ich recht habe, ändert sich die Ermittlung

Weitere Kostenlose Bücher