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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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»Haben Sie das gehört, Constable?«
    Sam lächelte. »Den Schrei oder das Geräusch von splitterndem Glas?«
    »Wahrscheinlich den Schrei«, antwortete Carol und trat zurück, damit Sam den Weg frei hatte. Die Gleichberechtigung konnte ihr gestohlen bleiben, wenn die Alternative war, dass sie sich keine schmerzende Schulter holte. Sam warf sich gegen die Tür und drehte zugleich am Griff. Das weiche Holz um das Schloss herum brach heraus, und die Tür ging auf.
    Im Schatten der hohen Mauern sah der Hinterhof noch dunkler aus als die Gasse. Vom Haus her kam kein Licht. Carol griff in ihre Tasche und nahm einen rechteckigen Plastikgegenstand von der Größe einer Kreditkarte heraus. Sie knickte ihn, und ein Lichtstrahl leuchtete auf. »Raffiniert«, meinte Sam.
    »War in meinem Weihnachtsstrumpf.«
    »Sie haben offenbar gute Beziehungen zum Weihnachtsmann. Ich hab nur Socken gekriegt.«
    Carol leuchtete mit der Lampe. Der Hof war mehr oder weniger leer. In einer Ecke war ein Klohäuschen, dessen Tür halb offen stand. »Er wohnt noch nicht lange hier, hat noch nicht viel Kram angehäuft«, stellte sie fest. Die Hinterseite des Hauses hatte die Form eines L, die Küche bildete den Vorsprung, der in ihre Richtung hin angebaut war. Die Fenster der Küche und des hinteren Zimmers gingen auf den leeren Hof hinaus. Carol ging zum Küchenfenster hinüber und leuchtete mit dem Lichtstrahl hinein.
    Die Einbauschränke waren aus dunklem Holz, wie es in den siebziger Jahren beliebt gewesen war. Die Küche sah aus, als sei sie seit damals nicht verändert worden. Carol erspähte einen Wasserkocher, einen Toaster und auf der gegenüberliegenden Arbeitsplatte einen Brotkasten. In der Spüle konnte sie eine Schüssel, einen Becher und ein Trinkglas erkennen. Auf dem Abtropfbrett eine Nudelschüssel und ein Weinglas. Als sie über die Schulter zurücksah, sagte Sam: »Sieht aus, als hätte er immer noch nicht die richtige Frau gefunden.«
    Sieht wie bei mir zu Hause aus , wurde Carol plötzlich bewusst. Sie wandte sich ab und tat ihr Bestes, um ins andere Fenster hineinzuleuchten. Es sah aus, als hinge an den Wänden eine riesige Collage, die den ganzen Raum einnahm.
    »Donnerwetter«, entfuhr es Sam. »Offenbar sind wir auf eine Goldader gestoßen.«
    Bevor Carol antworten konnte, hörte sie ein Geräusch hinter sich. Das Brummen eines Motorrads im Leerlauf hob sich vom Rauschen des Verkehrs ab. Sie drehte sich schnell um und entdeckte einen Mann mit einem Motorrad, der sich vor dem offenen Tor abzeichnete. »Was zum Teufel …?«, rief er.
    Sam stürzte los, aber er war zu langsam. Das Tor schlug vor ihm zu. Carol rannte hinüber, um ihm beim Aufziehen der Tür zu helfen, aber es war zu eng, sie konnten nicht beide zugleich anpacken. »Zu spät«, schrie die Stimme von der anderen Seite. »Ich habe mein Motorrad ans Tor gekettet. Das bekommt ihr nicht auf. Ich rufe die Polizei, ihr dreckigen Gauner.«
    »Wir …« Carol hielt Sam die Hand vor den Mund, damit er nicht mit der abgedroschenen Phrase kommen konnte, die bei Komödienschreibern so beliebt ist.
    »Still«, zischte sie. »Wenn wir ihm sagen, wer wir sind und er ist schuldig, wird er sich davonmachen, und wir haben ein Mordsproblem, ihn zu finden. Entspannen wir uns doch einfach und warten, bis die Kollegen kommen, und dann regeln wir das.«
    »Aber …«
    »Kein ›aber‹.«
    Sie hörten das schwache Piepsen von Mobiltelefontasten. »Hallo, bitte die Polizei …« Das war ja ein Alptraum, dachte sie.
    »Sie könnten mir auf das Dach des Klohäuschens hochhelfen. Es ist niedriger als die Mauer«, murmelte Sam. »Zumindest kann ich aufpassen und mich vergewissern, dass er dableibt.«
    »Wie die verdammten Keystone Cops«, murrte Carol.
    »Ja, ich habe gerade zwei Leute erwischt, die versucht haben, in mein Haus einzubrechen. Ich hab sie im Garten eingesperrt … Butler. Rhys Butler.« Er gab ihnen die Adresse. »Wie gesagt, sie können nicht raus, ich habe sie gefangen … Nein, ich mach keine Dummheiten, ich warte, bis Sie kommen.« Eine Pause, dann rief die Stimme: »Seht ihr? Die Polizei ist unterwegs, versucht also nicht irgendetwas Verrücktes.«
    »Das wird uns ewig anhängen«, seufzte Carol.
    »Helfen Sie mir aufs Dach hoch«, drängte Sam.
    »Sie wollen ja nur einen neuen Anzug auf Kosten der Firma«, frotzelte Carol und folgte ihm um das Häuschen herum zur am weitesten vom Tor entfernten Seite. Trotzdem machte sie sich bereit, legte die Hände zur

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