Schleier des Herzens (German Edition)
habe.«
Der junge Mann grinste anzüglich, und Beatriz errötete. Bei der Auktion hatte Hammad weit mehr von ihr gesehen als ihr unverschleiertes Gesicht.
Dennoch griff sie gehorsam nach einer Decke und verbarg ihre Blöße. Sie konnte die Blicke der Männer jetzt nicht ertragen, wusste nicht, ob sie sie überhaupt jemals wieder würde ertragen können.
»Meine Morgensonne! Ist dir etwas geschehen?«
Amir wandte sich dem Mädchen zärtlich zu.
Er hätte sie gern umarmt, aber sie hatte jetzt sichtlich keinen Sinn für Zärtlichkeiten.
»Bleib hier, meine Gehebte, entspann dich. Wir lassen deine Zofe holen und deinen Diener.«
»Mustafa ... ist er ...?«
»Der kleine Eunuch? Der lebt. Aber Hassan haben sie erschlagen. Nun, sie werden ihre Strafe erhalten. Einefürchterliche Strafe!« Amir warf einen vernichtenden Blick auf Mammar, der immer noch wie irre auf seinen Armstumpf starrte und dabei wimmerte wie ein Kind.
»Wir bringen dieses Stück Dreck ... ja, wohin, Hammad?«
Erst jetzt wurde Amir klar, dass der Palast noch keineswegs in seiner Hand war. Nach Achmeds Plan Einlass zu finden war ohne Schwierigkeiten gelungen. Tatsächlich hatte Mohammed Abenzera den vermeintlichen Würdenträgern des Heeres Privatunterkünfte im Palast angewiesen. Ihren Wunsch, sich zunächst zu reinigen und zu erfrischen, bevor sie mit dem Wesir sprachen – der Emir, so erklärte man ihnen, sei unabkömmlich – hatte man selbstverständlich respektiert.
Amir und Hassan hatten sich natürlich gleich aus ihren Räumen herausgeschlichen und dabei Kampflärm aus dem Harem gehört. Als sie den Geräuschen gefolgt waren, waren sie auf einen der noch umkämpften Eingänge gestoßen. Es war ein Leichtes gewesen, den Söldnern in den Rücken zu fallen und die Palastwächter zu entsetzen. Auch Achmed hatte sich inzwischen am Kampfplatz eingefunden und die Bewachung des Eingangs übernommen, während die Palastwächter ihren Freunden zu Hilfe gekommen und Amir und Hammad auf die Suche nach Beatriz gegangen waren. Susanna und der noch etwas angeschlagene Mustafa hatten ihnen dann den richtigen Weg gewiesen.
Hammad überlegte kurz. Dann grinste er. »Am besten bringen wir ihn in den Harem! Den wird kaum noch einer stürmen, nachdem der Wunsch des ›Emir‹ nun befriedigt ist. Die Söldner, die noch gekämpft haben, sind tot, zwei Ausgänge werden von unseren Leuten bewacht, die anderen dürfte der ›Wesir‹ bemannt haben. Und auf jedes Eindringen steht garantiert der Tod. Sicherer ist der Kerlnicht mal im Kerker. Und ich wette, es finden sich auch ein paar Frauen, die sich ›liebevoll‹ um seine Wunde kümmern.«
»Aber hier wird man ihn suchen«, gab Amir zu bedenken.
Beatriz raffte sich auf. »Ayesha soll mit den Musikanten und Tänzerinnen herkommen. Von außen muss es sich anhören, als feiere der Emir eine Orgie. Niemand wird es wagen, ihn zu stören.«
Mohammed Abenzera, der neue Wesir, schüttelte missbilligend den Kopf. Seit einigen Stunden fragte er sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, Mammar al Khadiz in das Amt des Emirs zu erheben. Sicher, er hatte schon vorher von der Leidenschaft des Alten für die rotblonde Sklavin gehört. So etwas kam vor, ein zweiter Frühling war nichts Ungewöhnliches, und wenn sich ein Mädchen so spröde zeigte wie diese Beatriz, konnte ein Mann auch mal gänzlich den Kopf verlieren. Aber diese Wiedersehensfeier mit seinem Sohn Achmed unter Einbeziehung des halben Harems ... Mammar musste völlig verrückt geworden sein! Nun gut, sollte er sich vergnügen, aber morgen würde Mohammed ihm den Kopf waschen. Schließlich gab es dringende Dinge zu bedenken. Das Problem mit dem alten Emir und dem anrückenden Heer zum Beispiel. Mohammed hatte eben Kunde davon erhalten, dass Amir zurück nach Granada marschierte. Die Christen hatten ihn also doch nicht so lange aufgehalten, wie die Aufrührer gehofft hatten. Nun würden sie sich mit ihm auseinander setzen müssen, bevor noch alle Ämter neu besetzt und die Hauptstadt vollständig befriedet war. Denn auch, wenn alle gern mitfeierten und mit der neuen Herrschaft vollauf zufrieden schienen: Granada war nach wie vor ein Hexenkessel. Amir hatte seineAnhänger; weniger im einfachen Volk, aber durchaus im Adel und in der wichtigen Welt der Geschäftsleute. Denen nutzte seine Politik des Friedens mit Kastilien, und ihr Handel mit aller Welt sicherte ihm die hohen Steuereinnahmen, welche wiederum die Tributzahlungen mühelos ermöglichten.
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