Schleier des Herzens (German Edition)
nur recht und billig, dass der Maure sie bekommt ...« Der alte Hidalgo richtete sich auf. Er fühlte sich von neuer Kraft erfüllt und berstend vor Tatendrang. Wie sehr er sich um Beatriz gesorgt und sie vermisst hatte! »Selbstverständlich reisen wir zu ihrer Hochzeit! Ich werde die Delegation sofort zusammenstellen. Ihr dürft auch mitkommen, Padre Javier! Vielleicht könnt Ihr den Mohren ja taufen ...«
»Du bist zum Emir befohlen?«, fragte Blodwen verwundert.
Beatriz kam eben aus den Bädern, um sich für ihren Besuch bei Amir einzukleiden. Blodwen, Katiana und ein paar andere Musikerinnen warteten dagegen schon in festlicher Kleidung auf die Eunuchen, die sie zu einem Auftritt außerhalb des Harems eskortieren sollten.
»Ich dachte, er hätte heute Abend eine Gesellschaft. Jedenfalls sollen wir in seinen Privatgemächern aufspielen.«
»Ich bin nicht zum Emir ›befohlen‹, sondern eingeladen«, verbesserte Beatriz unwillig. Sie hasste die selbstverständliche Art, in der die anderen sie als Amirs Eigentum betrachteten. »Und mir hat er nichts von einer Gesellschaft gesagt. Vielleicht plant er ein romantisches Essen, und ihr sollt dazu spielen? Oder er lässt mich erst später rufen, wenn die Männer gegangen sind. Das wäre allerdings merkwürdig, die Einladung lautete auf ›die Stunde nach dem Dunkelwerden‹.«
Blodwen zuckte die Schultern.
»Wir werden es sehen. Da ist unsere Eskorte. Viel Spaß heute Nacht, Beatriz !”
Beatriz wunderte sich noch ein wenig und schminkte und kleidete sich dann besonders sorgfältig. Falls Amir wirklich ein festliches Abendessen plante, wollte sie wie eine perfekte Dame auftreten. Dabei fiel ihr ein, dass sie nie gemeinsam mit ihm gespeist hatte. In Granada nahmen Männer und Frauen die Mahlzeiten getrennt voneinander ein. Ein rituelles, gemeinsames Essen fand nur am Tag der Hochzeitsfeier statt.
Beatriz’ Eskorte erschien auf jeden Fall pünktlich. Wohlgefällig betrachtete der Erste Eunuch ihre nachtblauen, golddurchwirkten Schleier und die hellere Cobija. Auch ihr Unterkleid war in hellem Blau gehalten und bestand aus fließender, fluoreszierender Seide. Wie die Wogen des Ozeans umflossen die zarten Stoffe ihre tippigen Rundungen. Die schlanke Taille betonte ein schwerer, goldener Gürtel.
»Ihr seht bezaubernd aus, Sayyida!«, lobte der Eunuch. »Euer Herr wird die Augen nicht von Euch lassen können. Aber nun kommt, der Emir sprach von einer Überraschung, wir wollen ihn nicht warten lassen.«
Amir begrüßte Beatriz an der Pforte zu seinen Gemächern und schickte den Eunuchen gleich zurück.
»Meine Überraschung, Geliebte, ist nicht für neugierige Augen bestimmt«, sagte er spitzbübisch, aber Beatriz sah auch einen Funken Besorgnis in seinen braunen Augen.
Aus den Wohnräumen klang Musik, Blodwen und die anderen spielten also tatsächlich hier auf. Aber was war das? Erklangen da nicht auch Männerstimmen? Beatriz versteifte sich ein wenig.
Amir legte den Arm um sie. »Keine Sorge, meine Liebe. Diese Männer werden dich nicht kompromittieren – zumaldie Begegnung unter meiner Aufsicht stattfindet. Komm, Beatriz, begrüße ...«
»Vater!«
Während Amir sprach, hatte er seine Liebste in die Wohnräume geführt, und Beatriz erkannte sogleich die hoch gewachsene Gestalt, die eifrig gestikulierend mit anderen Männern sprach.
Don Aguirre wandte sich um.
»Beatriz!«
Beatriz fragte nicht mehr nach schicklich oder unschicklich, sondern flog in seine Arme. Don Aguirre zog sie fest an sich – schon damit sie die Tränen in seinen Augen nicht sah. Niemals mehr hatte er damit gerechnet, Beatriz noch einmal in die Arme schließen zu dürfen.
Dann aber hielt er sie etwas von sich ab, und sein Blick umwölkte sich. Aus den Reihen der anderen Besucher klang jetzt auch tadelndes Raunen.
»Schamlos ...«, zeterte ein dicklicher Priester.
Die beiden Ritter dagegen, die Don Aguirres Eskorte bildeten, starrten Beatriz’ leichtes Gewand ungeniert an.
»Du bist schön wie eh und je, Kind. Aber wie läufst du nur herum?«, fragte Don Aguirre streng. »Diese Kleider ... sie zeigen ja mehr, als sie verhüllen.«
Beatriz errötete tief.
»Ich ... Vater, ich bin für ein Treffen mit meinem Gatten gekleidet, nicht für eine Gesellschaft ...«
»Ein Treffen mit Eurem zukünftigen Gatten, wie ich hörte«, bemerkte der Priester giftig.
Bevor noch jemand etwas dazu sagen konnte, mischte Amir sich ein.
»Vielleicht hätte ich dich doch vorbereiten sollen,
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