Schleier des Herzens (German Edition)
Geliebte«, sagte er sanft. Nur Beatriz hörte die Untertöne eiserner Beherrschung. Amir musste es bis ins Mark treffen, die lüsternen Blicke der Ritter auf Beatriz’ Körperdulden zu müssen. »Aber ich wollte die Überraschung nicht verderben. Auf jeden Fall zelebrieren wir heute einen kastilianischen Abend. Wenn du also möchtest ... entsprechende Bekleidung für dich liegt bereit.«
Amir öffnete die Tür zu einem Nebenraum, in dem Susanna mit verheißungsvollem Grinsen und einer Fülle von Stoffen und Kleidern wartete.
»Du warst eingeweiht!«, zischte Beatriz ihr zu. »Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Glaubst du, ich wollte mich vierteilen lassen?«, fragte die alte Zofe lachend. »Wenn der Emir etwas geheim halten will, dann bleibt es geheim. Und dies hier ....« Susanna umfasste mit einer Handbewegung die Kleidung und den gesamten >kastilianischen Abend ‹, »steht unter höchster Geheimhaltungsstufe. Nicht auszudenken, wenn die Edlen Granadas wüssten, dass die künftige Gattin des Emirs sich unverschleiert vor einer Horde christlicher Ritter zeigt! Es ist unglaublich, was dein Herr um deinetwillen arrangiert, ich habe nie etwas Vergleichbares gehört. Er muss dich wirklich über alles lieben. Und nun komm, mal sehen, ob das Kleid passt, das ich für dich genäht habe.«
Susannas Kleid hatte einen Rock und ein Mieder aus mitternachtsblauem Satin, darunter eine weiße Bluse und eine Halskrause. Zunächst musste sich Beatriz jedoch schnüren lassen. Bereitwillig ließ sie sich das Korsett umlegen, schrie aber schon beim ersten Anziehen auf.
»Susanna, nicht, ich kriege keine Luft!«
»Das meinst du nicht ernst«, lachte Susanna. »Ich habe noch kaum angefangen. Früher bist du auch täglich geschnürt worden. Also stell dich nicht so an, zieh den Bauch ein und benimm dich wie ein artiges kastilianisches Mädchen!«
Beatriz stöhnte und ächzte, aber als sie ihr Bild schließlichim Spiegel betrachtete, war sie hingerissen. Das Kleid ließ ihre Augen dunkler wirken, die Wespentaille hob ihre schwellenden Brüste und ihre wohlgeformten Hüften noch mehr hervor. Auch die strenge Frisur, zu der Susanna nun rasch ihre Haarpracht aufsteckte, schmeichelte ihr. Sie betonte ihre aristokratischen Züge und stand in reizvollem Kontrast zu den sinnlichen Lippen und etwas schräg gestellten Augen.
Wenn es nur nicht so heiß unter all dem Stoff gewesen wäre! – Zu dem Satinkleid gehörten noch ein mantelartiger Überwurf aus Samt und natürlich ein baumwollener Unterrock. Außerdem brachte das Korsett Beatriz an den Rand der Ohnmacht.
Auch die Seidenstrümpfe waren ungewohnt, und die harten Lederschuhe engten ihre Füße ein, die nur noch an Sandalen und Samtpantöffelchen gewöhnt waren. Beatriz wusste nicht recht, wie sie den Abend durchstehen sollte.
Susanna war allerdings hochzufrieden.
»Wunderschön siehst du aus. So wird dein Vater dich wieder erkennen. Hab einen schönen Abend, Beatriz!«
Als Beatriz den Wohnraum betrat, reagierten die Ritter mit ›Oh!‹- und ›Ah‹-Rufen. Zu verwunderlich war die Verwandlung, die da mit der Haremsschönheit vor sich gegangen war. Auch Amirs Gesicht spiegelte Verblüffung und hingerissene Anerkennung. Beatriz war in jeder Aufmachung schön, als strenge, kastilianische Hfdalga wie als Blume des Harems.
Diesmal nahm Beatriz sich die Zeit, ihre Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen und auch einen Blick auf ihre Gäste zu werfen. Amir hatte keine Mühen gescheut, den Raum einem kastilianischen Wohnhaus so ähnlich wie möglich zu gestalten. Er hatte hohe Tische und Stühle mit geraden, harten Lehnen hereinholen lassen, und auf dem Tisch war ein Mahl angerichtet, dasganz auf den Gaumen der christlichen Besucher abgestimmt war.
Nur die Musikerinnen sorgten für eine orientalische Note. Sie spielten hinter dem üblichen Vorhang und waren gekleidet wie immer.
Amir nahm galant Beatriz’ Hand und führte sie zu Tisch. Inzwischen erkannte sie auch die Ritter, die mit Don Aguirre gekommen waren.
Der Ältere von ihnen, ein großer, dunkelhaariger Mann, trat galant auf sie zu und küsste ihr die Hand. Beatriz sah, dass Amir dies nur zähneknirschend hinnahm, aber sie wusste nicht recht, wie sie den Mann abwehren sollte. So duldete sie seine feuchten Lippen auf ihrer Hand, konnte aber nicht verhindern, dass sie etwas zurückwich, als sie den Schweißgeruch aufnahm, der von ihm ausging. Die Ritter hatten die Bäder offensichtlich nicht aufgesucht, bevor sie zur
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