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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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meiner Pfeife gefunden. Der Alte wäre gestorben, wenn das zu seiner Zeit passiert wäre. Außerdem wird das Zimmer jetzt nie mehr gereinigt, und sämtliche Matten sind zerfetzt und an den Ecken ausgefranst. Der Sarg ist fort – nach China zurückgebracht worden – mitsamt dem Alten und zwei Unzen Rauchs, die man ihm hineinlegte, falls er unterwegs welchen brauchen sollte.
    Unter des Hausgötzens Nase werden auch nicht mehr so viele Späne abgebrannt wie früher; und das ist bestimmt ein böses Zeichen, darauf schwöre ich. Er ist inzwischen ganz braun geworden, und niemand kümmert sich mehr um ihn. Daran ist, wie ich weiß, nur die Memsahib schuld, denn als Tsing-ling einmal Goldpapier vor ihm verbrennen wollte, sagte sie, das sei nur Geldverschwendung, und wenn er ständig vor ihm einen Span langsam verkohlen ließe, würde der Götze den Unterschied nicht merken. Jetzt haben wir Späne, die mit 'ner Menge Leim beschmiert sind; sie brennen zwar 'ne halbe Stunde länger, stinken aber dafür. Und dazu noch der Geruch von dem Zimmer selbst! Bei so einer Führung kann kein Geschäft gedeihen! Dem Götzen gefällt es auch nicht. Das sehe ich ganz genau. Spät in der Nacht nimmt er mitunter alle möglichen Farben an – blau und grün und rot – genau wie in der Zeit, als Fung-Tsching noch lebte; aber jetzt rollt er die Augen und stampft mit den Füßen wie ein richtiger Teufel.
    Ich weiß wirklich nicht, weshalb ich nicht wegbleibe und in Ruhe für mich rauche – in einem Privatzimmer des Bazars. Wahrscheinlich jedoch würde mich Tsin-ling umbringen – er bezieht jetzt meine sechzig Rupien – außerdemwürde es schreckliche Umstände machen und ich liebe »das Tor« wirklich sehr. Äußerlich ist es ja ziemlich unansehnlich, beileibe nicht was es zu des Alten Zeiten war, aber ich könnte es doch nicht verlassen. Ich habe so manchen da ein- und ausgehen sehen. Und viele habe ich hier auf den Matten sterben sehen, so daß ich jetzt selber Angst hätte, da draußen zu endigen. Manche Dinge habe ich hier erlebt, die die meisten Menschen recht seltsam anmuten würden, und doch gibt es nichts Seltsames, wenn man den schwarzen Rauch trinkt, außer dem schwarzen Rauch selbst. Und wenn es das gäbe, wäre es ja auch ganz gleich. Fung-Tsching hielt sehr auf gutes Publikum und ließ niemanden herein, der beim Sterben irgendwelche Scherereien machte – tobsüchtig wurde und dergleichen mehr. Aber sein Neffe ist nicht halb so vorsichtig. Er erzählt jedem, der ihm über den Weg läuft, daß er ein »erstklassiges Etablissement« besäße. Macht nicht den leisesten Versuch, die Leute ruhig und unauffällig in sein Haus zu ziehen und es ihnen dann gemütlich zu machen. Deshalb ist »das Tor« jetzt auch ein klein wenig bekannter geworden – bei den Schwarzen natürlich. Der Neffe wagt nicht, einen Weißen oder eine Mischhaut hierherzuziehen. Uns drei muß er natürlich behalten – mich und die Memsahib und den anderen Eurasier. Wir sind Stammgäste. Aber er würde uns keinen Pfeifenkopf Kredit geben – nicht um die Welt!
    Eines Tages hoffe ich, hier im »Tor« zu sterben. Der Perser und der Mann aus Madras sind schon arg zitterig geworden. Sie haben jetzt einen Jungen, um ihnen die Pfeifen anzuzünden. Ich tue das immer noch selbst. Wahrscheinlich werden sie noch vor mir zur Tür herausgetragen werden. Ich glaube aber nicht, daß ich die Memsahib oder Tsin-ling überlebe. Frauen halten den schwarzen Rauch länger aus als Männer, und Tsin-ling hat einen guten Teil von desAlten Blut in den Adern, trotzdem er das billige Zeugs raucht. Das Weib aus den Bazaren wußte zwei Tage vorher, daß ihre Zeit gekommen war; sie starb auf einer sauberen Matte mit einem hübschen, wattierten Kissen unter dem Kopf, und der Alte hing ihre Pfeife über dem Hausgötzen auf. Er hing sehr an ihr, so viel ich weiß. Aber das hinderte ihn nicht, ihre Spangen an sich zu nehmen.
    Ich möchte sterben, wie das Weib gestorben ist – auf einer sauberen, kühlen Matte mit einer Pfeife voll anständigen Zeugs zwischen den Lippen. Wenn ich fühle, daß ich soweit bin, werde ich Tsin-ling darum bitten; er kann dafür meine sechzig Rupien weiterbeziehen, solange er will, ganz regelmäßig. Dann werde ich mich still und behaglich ausstrecken und die schwarzen und roten Drachen bei ihrem letzten, großen Kampf beobachten; und dann ...
    Nun, es ist ja ganz gleich. Alles ist mir so ziemlich gleich – wenn nur Tsin-ling nicht Kleie unter den schwarzen Rauch

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