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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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kehrte nach England zurück, als ihres Mannes Dienstzeit in Indien abgelaufen war. Sie hat die Geschichte nie vergessen.
    Aber Platte hatte schon recht, als er sagte, der Scherz wäre zu weit gegangen. Der Argwohn und seine Tragödie, – von der wir Außenstehenden nichts ahnen und nichts wissen wollen, – quälen die Frau Oberst langsam zu Tode, und verbittern ihm das Leben. Sollte einer von ihnen diese Erzählung lesen, dann mag er überzeugt sein, daß sie ein ziemlich wahrheitsgetreuer Bericht des Falles ist. Vielleicht ist dann alles vergeben und vergessen.
    Shakespeare spricht einmal von dem Vergnügen, zu sehen, wie ein Ingenieur von seiner eigenen Batterie zerrissen wird. Das beweist, daß Dichter nicht von Dingen reden sollen, die sie nicht verstehen. Es hätte ihm jeder sagen können, daß Geniekorps und Artillerie zwei ganz verschiedene Dienstzweige sind. Aber wenn man den Ausspruch verbessert und statt Ingenieur Kanonier sagt, dann ist die Moral nicht minder weise. –

Uhren
    Was in den Büchern des Bramahnen steht,
steht auch in seinem Herzen.
Ich hab' wie du es nicht gewußt, daß so viel
Böses in der Welt.

Der Andere
    Wenn die Erde erkrankt und der Himmel ergraut,
Wenn feuchter Dunst durch die Wälder taut,
Dann reitet sein Geist, damit er die Braut
Im herbstlichen Regen noch einmal schaut. –
    Alte Ballade.
    Vor langer Zeit, in den siebziger Jahren, als es in Simla noch keine öffentlichen Gebäude gab und die Jakko-Promenade noch als Plan in dem Fache eines Schuppens, dem Büro für Öffentliche Arbeiten, schlummerte, wurde Miß Gaurey von ihren Eltern mit Oberst Schreiderling verheiratet. Er war sicherlich nicht viel mehr als fünfunddreißig Jahre älter als sie; und da er monatlich kaum zweihundert Rupien ausgab und dazu noch Privatvermögen besaß, war er in der Tat wohlhabend. Er war aus guter Familie, litt bei kaltem Wetter an Lungenbeschwerden und kämpfte in der heißen Zeit unaufhörlich mit Schlaganfällen. Aber sterben tat er an keinem von beiden.
    Wohlgemerkt, ich mache Schreiderling keine Vorwürfe. Er war nach seiner Ansicht ein guter Ehemann; er verlor nur die Laune, wenn er sich pflegen lassen mußte. Und das war ungefähr siebzehn Tage jeden Monat. In Geldsachen war er gegen seine Frau beinahe großzügig, und das bedeutete für ihn eine Überwindung. Und doch war Mrs. Schreiderling nicht glücklich. Man hatte sie noch diesseits der Zwanzig, als sie ihr ganzes armes, kleines Herz einem anderen geschenkt hatte, verheiratet. Sein Name ist mir entfallen. Ich will ihn einfach den »Anderen« nennen. Er hatte weder Geld noch Aussichten und war nicht einmal hübsch. Er stand, meiner Erinnerung nach, bei der Intendantur oder beim Transportkommando. Aber trotzalledem liebte sie ihn sehr. Zwischen den beiden bestand irgendein Versprechen,als Schreiderling vor Mrs. Gaurey erschien und um die Tochter anhielt. Das andere Versprechen löste sich unter Mrs. Gaureys Tränen; denn sie beherrschte ihren Haushalt durch Tränen über die Mißachtung ihrer Autorität und den Mangel an Ehrfurcht vor ihrem Alter. Die Tochter war ihrer Mutter nicht ähnlich. Sie weinte nicht, nicht einmal bei der Trauung.
    Der Andere trug seinen Verlust in aller Ruhe. Er ließ sich in die schlimmste Garnison, die er finden konnte, versetzen. Vielleicht tröstete ihn das Klima. Er litt an Wechselfieber, und das lenkte ihn möglicherweise von seinen anderen Leiden ab.
    Auch sein Herz krankte, – in zwiefachem Sinne. Eine Herzklappe war angegriffen, und das Fieber machte die Sache nur schlimmer. Das zeigte sich später.
    Viele Monate gingen ins Land, und Mrs. Schreiderling fing an zu kränkeln. Sie verging nicht vor Gram wie Leute in den Romanen, aber sie schien sich alle Krankheitsformen der Garnison, vom gewöhnlichen Fieber aufwärts, zuziehen zu müssen. Schon in ihrer Blüte war sie nicht sonderlich hübsch gewesen, aber die Krankheit machte sie häßlich. Schreiderling sagte das ganz offen. Es war sein Stolz, stets frei heraus zu sagen, was er dachte.
    Als sie aufhörte hübsch zu sein, überließ er sie sich selbst und ging seine alten Junggesellengänge. Sie pflegte, den grauen Reithut fast im Nacken, auf einem unglaublich scheußlichen Sattel, hilflos verlassen die Simlaer Promenade auf und ab zu traben. Schreiderlings Großzügigkeit reichte nicht über den Pferdekauf hinaus. Jeder Sattel, meinte er, wäre gut genug für eine so nervöse Frau wie Mrs. Schreiderling. Man bat sie nie um einen Tanz, weil sie

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