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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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lasen die Papiere gemeinsam durch. Tarrion, der nicht ahnte, wie sie dazu gekommen war, schwor, Mrs. Hauksbee sei die größte Frau von der Welt. Und ich glaube, das ist wahr, oder wenigstens fast wahr.
    »Der gerade Weg ist immer der beste,« sagte Tarrion nach anderthalbstündiger Durchsicht und Beratung. »Wenn ich recht bedenke, wäre eigentlich der Informationsdienst für mich das Rechte. Entweder das oder das Auswärtige Amt. Ich werde jetzt die hohen Götter in ihren eigenen Tempeln belagern.«Er suchte keinen kleinen Mann auf, auch keinen kleinen großen Mann, auch nicht die schwache Spitze einer starken Behörde, sondern er ging zu dem größten und gewaltigsten Mann der ganzen Regierung und erklärte, er wolle in Simla eine Stellung mit gutem Gehalt haben. Diese ausgesuchte Unverschämtheit belustigte den Gewaltigen, und da er im Augenblick nicht beschäftigt war, hörte er die Vorschläge des dreisten Tarrion mit an. »Sie haben vermutlich doch noch besondere Fähigkeiten, außer Ihrem Selbstbewußtsein, zur Begründung Ihrer Ansprüche?« fragte der Gewaltige. »Diese Entscheidung bleibt Ihnen überlassen,« sagte Tarrion. Und nun begann er, da er ein gutes Gedächtnis hatte, einige der wichtigeren Punkte aus den Akten anzuführen, langsam, einen nach dem anderen, ganz wie man Chlorodyne in ein Glas tropfen läßt. Als er zu dem entscheidenden Befehl kam, – und es war wirklich ein entscheidender Befehl, – wurde der Gewaltige unruhig. Tarrion schloß mit den Worten: »Und ich bin doch der Ansicht, daß solch eine eingehende Kenntnis wenigstens ebensosehr zu einer Anstellung im, – sagen wir, – Auswärtigen Amte befähigt, wie die Tatsache, der Neffe einer hohen Offiziersfrau zu sein.«
    Das traf den Gewaltigen tief. Denn er wußte, daß die letzte Anstellung im Auswärtigen Amt auf böseste Protektion hin erfolgt war.
    »Ich werde sehen, was sich machen läßt,« sagte er.
    »Vielen Dank,« sagte Tarrion. Er ging fort, und der Gewaltige auch, um nachzusehen, wo er eine Stelle einrichten könne.
    *
    Es folgte eine Pause von elf Tagen, während der es donnerte und blitzte. Viele Telegramme flogen hin und her. Die Anstellung war nicht sonderlich bedeutend. Sie brachte nur 500–600 Rupien monatlich. Aber man müßte, wie derVizekönig sagt, an dem Prinzip der »Wahrung diplomatischer Geheimnisse festhalten«, und es wäre doch wahrscheinlich lohnend, einen jungen Menschen mit so guten Informationen zu versetzen. Und somit versetzte man ihn. Man hat ihn aber doch wohl im Verdacht gehabt, daß er seine Informationen nicht nur seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten, wie er behauptete, zu verdanken hatte. – Ein gut Teil dieser Geschichte, wie das Nachspiel wegen des fehlenden Kuverts, muß man sich selbst ergänzen, denn aus gewissen Gründen kann es nicht niedergeschrieben werden. Wer die Verhältnisse »Oben« nicht kennt, wird behaupten, es sei ein Unding.
    Der Vizekönig sagte, als ihm Tarrion vorgestellt wurde: »Das ist also der junge Mann, der die indische Regierung im Sturm nahm! Merken Sie es sich, so etwas gelingt nur einmal.« Er muß also doch irgend etwas gewußt haben.
    Tarrion sagte, als seine Anstellung bekanntgegeben wurde: »Wäre Mrs. Hauksbee zwanzig Jahre jünger und ich ihr Mann, dann wäre ich in fünfzehn Jahren Vizekönig von Indien.«
    Mrs. Hauksbee sagte, als er ihr fast mit Tränen in den Augen dankte, zu ihm: »Ich habe es Ihnen ja vorausgesagt,« und zu sich selbst: »Was sind die Männer doch für Narren!«

Die Bekehrung Aurelian Mc. Goggins
    Reite mit müßiger Gerte, reit' mit gestrecktem Sporn.
Einmal in der Runde zu seiner Stunde
Zeig deinem Fohlen den Zorn.
Die Peitsche zuckt, und das Zaumzeug ruckt; tief sticht der stählerne Dorn. – –
    Life's Handicap.
    Dies ist eigentlich keine Geschichte. Es ist eine Abhandlung; und ich bin ungeheuer stolz darauf. Denn eine Abhandlung schreiben, ist eine Großtat.
    Jeder hat das Recht einer eigenen religiösen Anschauung. Aber niemand, – am wenigsten ein jüngerer Beamter, – darf sie anderen Leuten gewaltsam eintrichtern wollen. – Hin und wieder schickt uns die Regierung die merkwürdigsten Leute in den Zivildienst. Aber Mc. Goggin war der sonderbarste von allen. Er war klug, hervorragend klug, nur führte ihn seine Klugheit auf falsche Bahnen. Anstatt sich an das Studium der Landessprachen zu halten, las er Bücher von Leuten wie Comte, glaube ich, Spencer und einem gewissen Professor Clifford. (Die Bücher findet man

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