Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
Kette, und er rief Suddhoo zu, er solle das Licht ausblasen. Völlige Dunkelheit herrschte im Zimmer, bis auf den rötlichen Schein von Janoos undAzizuns glimmenden Wasserpfeifen. Der Stempelschneider trat ein, und ich hörte, wie Suddhoo sich auf den Fußboden niederwarf und stöhnte. Azizun hielt den Atem an, und Janoo erschauderte und trat zurück auf eines der Betten zu. Metall klirrte, und eine blasse, blaugrüne Flamme schoß vom Boden empor. Es wurde gerade hell genug, daß ich in eine Zimmerecke gekauert Azizun mit dem Terrier auf dem Schoß sehen konnte. Janoo saß mit gefalteten Händen vornübergebeugt auf dem Bett. Suddhoo lag bebend mit dem Gesicht auf dem Boden. Und der Stempelschneider – –
Hoffentlich wird mir eine Gestalt wie die des Stempelschneiders nicht noch einmal im Leben zu Gesicht kommen. Er war nackt bis zu den Hüften und trug einen faustdicken Jasminkranz um die Stirn, einen fleischroten Schurz um die Lenden und Stahlringe an den Fußgelenken. Aber all das war nicht das Furchtbare. Sein Gesicht ließ mir das Blut erstarren. Blaugrau war es, die Augen waren verdreht, daß nur noch das Weiße schimmerte; es war das Antlitz eines Dämons, eines Grabgespenstes, es war alles, nur nicht das Gesicht des schlauen, geschmeidigen alten Fuchses, der tagsüber unten an seiner Drehbank saß. Er lag auf dem Leib, die Arme auf dem Rücken gekreuzt, als hätte man ihn in Fesseln zu Boden geworfen. Kopf und Hals allein waren hochgereckt. Sie standen fast rechtwinklig zum Körper, wie der Kopf einer Kobra, die gerade emporschnellen will. Es war grauenvoll. Mitten im Zimmer stand auf dem nackten Lehmboden ein großes, tiefes Messingbecken, und in seiner Mitte wieder schwamm wie ein Nachtlicht ein blasses, blaugrünes Licht. Dreimal wand sich der Mann auf dem Boden um das Becken. Wie er das tat, weiß ich nicht. Ich sah die Muskeln längs der Wirbelsäule kraus und wieder glatt werden, aber eine andere Bewegung sah ich nicht. Außer den langsam und schwer arbeitenden Rückenmuskeln, die wieWellen auf und nieder gingen, schien nur noch der Kopf Leben zu haben. Janoos hastige Atemzüge klangen vom Bett her. Azizun hielt sich die Hände vor die Augen, und der alte Suddhoo wischte den hängengebliebenen Staub aus seinem weißen Bart und weinte vor sich hin. Das furchtbarste war, daß das schleichende Wesen geräuschlos herumkroch – völlig geräuschlos. Es dauerte – man bedenke, – zehn Minuten lang, während der Terrier winselte, Azizun zitterte, Janoo keuchte und Suddhoo weinte.
Ich fühlte, wie sich mir das Haar sträubte und mein Herz wie der Kolben einer Maschine hämmerte. Zum Glück verriet sich der Stempelschneider gerade mit seinem kunstvollsten Kniff und gab mir so meine Ruhe wieder. Er blies nämlich nach der dritten unbeschreiblichen Umkreisung des Messingbeckens einen Feuerstrahl durch die Nase. Nun weiß ich aber, wie man Feuer speit – ich kann es auch – und fühlte mich erleichtert. Die ganze Sache war also Schwindel. Weiß der Himmel, was ich alles geglaubt hätte, wenn er sich mit dem Kriechen begnügt hätte, ohne den Versuch, stärkere Wirkungen zu erzielen. Die beiden Mädchen schrien auf vor dem Feuerstrahl. Des Stempelschneiders Kopf schlug mit dem Kinn dumpf auf den Boden, und nun lag sein Leib da mit schlaffen Armen wie ein Leichnam. Fünf Minuten war Ruhe, und die blaugrüne Flamme erstarb. Janoo bückte sich und rückte einen Knöchelring zurecht, während Azizun den Terrier in die Arme nahm und sich der Wand zudrehte. Mechanisch griff Suddhoo nach Janoos Wasserpfeife. Sie schob sie ihm mit dem Fuß zu. Gerade über des Stempelschneiders Körper hingen an der Wand zwei Papprahmen mit den grellen Bildern der Königin und des Prinzen von Wales. Sie blickten herab auf das Schauspiel und ließen es noch possenhafter erscheinen.
Als die Stille unerträglich zu werden begann, drehte sich der Körper, rollte vom Becken zur Wand hin und blieb mit dem Leib nach oben liegen. In dem Becken ging es »Plum«, gerade wie wenn ein Fisch nach einer Fliege schnappt, und das grüne Licht in der Mitte lebte wieder auf.
Ich blickte nach dem Becken hin und sah den verschrumpften, runzeligen Kopf eines Hindukindes mit offenen Augen, offenem Mund und glatt geschorenem Haar im Wasser auf und nieder tauchen. Das Kriechen vorher war nicht so schlimm, weil es nicht so unerwartet kam. Ehe wir ein Wort sagen konnten, hob der Kopf an zu reden.
Selbst der, der Poes Bericht über die Stimme des
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