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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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Brückenbau gelegt. Daß er Nacht für Nacht auf dem besten Wege war, seine Hochschätzung mit Kognak, Korn, kleinen Likörproben und solchem Zeug zu untergraben, war ihm klar. Er hatte einen kräftigen Körper und einen widerstandsfähigen Geist, sonst wäre er wie ein krankes Kamel in seiner Gegend zusammengebrochen und gestorben. So ist es schon Besseren vor ihm gegangen.
    Die Regierung schickte ihn nach Ablauf seiner Zeit in der Einsiedelei nach Simla. Er ging in der Absicht hin, sichdort um eine gerade freie Stellung zu bewerben. In dieser Saison stand Mrs. Reiver, deren man sich wohl noch erinnert, auf der Höhe ihrer Macht, und viele Männer waren in ihr Joch gespannt. Was über Mrs. Reiver Schlechtes zu sagen war, ist bereits in einer anderen Geschichte gesagt worden. Moriarty war ein großer, breitschulteriger, schöner Mann. Er war sehr still und, wenn er nicht gerade in Gedanken versunken war, ängstlich besorgt, seinem Nächsten zu gefallen. Bei plötzlichen Geräuschen fuhr er zusammen und erschrak, wenn man ihn unerwartet ansprach. Und wenn man ihn bei Tisch trinken sah, dann sah man die Hand mit dem Wasserglas ein klein wenig zittern. Aber alles das schrieb man seiner Nervosität zu. Das stille, beständige »Schluck-Schluck-Schluck, schenk ein und Schluck-Schluck-Schluck, noch mal!«, das im einsamen Zimmer vor sich ging, das wußte niemand. Es ist eigentlich ein Wunder, denn hier in Indien ist auch das privateste Leben Gemeingut.
    Moriarty geriet nicht in Mrs. Reivers Kreis, denn der war nicht sein Geschmack, aber in ihre Gewalt. Er sank ihr zu Füßen und erhob sie zu seiner Göttin. Schuld daran war seine Rückkehr aus dem Dschungel in die Großstadt. Er hatte die Fähigkeit verloren, zu sehen und zu wägen, wer und wie ein Mensch war.
    Mrs. Reivers Kälte und Härte hielt er für Hoheit und Würde, ihren Mangel an Klugheit und Redegewandtheit für Zurückhaltung und Schüchternheit. Mrs. Reiver und schüchtern! Da sie Niemandes Achtung oder Verehrung wert war, ehrte er sie, aus der Ferne, und begabte sie mit allen Tugenden der Bibel und den meisten aus Shakespeare.
    Der große, dunkelhaarige, zerstreute Mann, der schon nervös wurde, wenn ein Pony hinter ihm hertrabte, folgte schmachtend Mrs. Reiver und errötete vor Seligkeit, wenn sie ihm ein oder zwei Worte zuwarf. Seine bewunderndeLiebe war streng platonisch. Selbst andere Frauen sahen das ein und gaben das zu. Er ging in Simla wenig aus und hörte daher nichts gegen sein Idol. Und das war gut. Mrs. Reiver schenkte ihm keine besondere Aufmerksamkeit, es genügte ihr, ihn in den Reihen ihrer Verehrer zu wissen. Sie ging also hin und wieder mit ihm spazieren, nur um zu zeigen, daß sie Eigentumsrechte an ihm habe. Dabei hat Moriarty sicher allein die Kosten der Unterhaltung tragen müssen, denn Mrs. Reiver hatte einem Manne seines Schlages wenig zu sagen. Das Wenige, was sie sagte, war sicher nicht gewinnbringend. Moriarty glaubte mit vollstem Recht an Mrs. Reivers Einfluß auf ihn, und dieser Glaube veranlaßte seinen festen Entschluß, sein Laster, das nur er allein kannte, abzuschütteln.
    Er muß in diesem Kampfe manch merkwürdige Erfahrung gemacht haben, aber er hat nie davon gesprochen. Wirklich trank er zeitweise eine ganze Woche hindurch nichts als Wasser. Wenn ihn dann aber an einem regnerischen Abend niemand zu Tisch gebeten hatte, wenn ein tüchtiges Feuer in seinem Zimmer brannte und alles gemütlich war, dann saß er die ganze Nacht mit weitgreifenden Besserungsplänen und trank Schluck für Schluck, bis er sich schwer trunken auf das Bett legen mußte. Am nächsten Morgen litt er.
    Eines Nachts kam der Zusammenbruch. Seine Versuche, »der Freundschaft Mrs. Reivers würdig zu werden«, quälten ihn. Die letzten zehn Tage waren sehr schlimm gewesen, und das Ende vom Liede war, daß die Folgen eines fast dreijährigen, stillen Trunkes in einem einzigen Anfall milden Delirium tremens zum Durchbruch kamen. Der Anfall begann mit Selbstmordgedanken, dann folgten hysterische Krämpfe und Zuckungen und zuletzt wahrhafte Raserei. Während er vor dem Feuer saß, oder im Zimmer auf und nieder schreitend sein Taschentuch in Fetzen riß, offenbarteder arme Moriarty seine innersten Gedanken über Mrs. Reiver. Denn hauptsächlich galt sein Toben ihr und dem Rückfall in sein Laster, wenn er auch in dies Gedankennetz lange Amtsberichte mit verwob. Er redete und redete und redete in einem leisen Flüstertone mit sich selber und fand kein Ende. Er

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