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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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selbst wiederzuerkennen, war nicht ganz so einfach.
    Die Direktoren der Bank – das Hauptquartier befand sich in Kalkutta und das Wort des Generaldirektors hatte Einfluß auf die Regierung – pflegten ihre Mitarbeiter zu sieben.Sie hatten Reggie gründlichst auf Herz und Nieren geprüft. Sie vertrauten ihm, so weit Bankdirektoren ihren Zweigstellenleitern überhaupt trauen. Man urteile selbst, ob er ihr Vertrauen verdiente.
    Reggies Zweigstelle befand sich an einer größeren Station, und Reggie verfügte über die gewöhnlichen Hilfskräfte: einen Buchhalter und einen Kassierer, beide aus England, und eine Horde einheimischer Bankangestellter, nicht zu vergessen die nächtliche Polizeipatrouille. Der größte Teil der Geschäfte – es war ein blühender Distrikt – bestand aus allen möglichen kleineren, einheimischen Wechsel- und Geldtransaktionen. Ein Narr wird niemals diese Art von Geschäften begreifen, und ein kluger Mann, der nicht mit seinem Kundenkreis verkehrt und mehr als nur eine Ahnung von deren Angelegenheiten hat, ist schlimmer dran als ein Narr. Reggie war jung für sein Alter und glattrasiert, mit einem schalkhaften Ausdruck in den Augen und einem Kopf auf den Schultern, den nichts unter vier Liter echten Artillerie-Madeiras zu rühren vermochte.
    Eines Tages bemerkte er so nebenbei, anläßlich eines großen Diners, die Direktoren hätten ihm aus England eine naturhistorische Seltenheit aus der Klasse der Buchhalter verfrachtet. Dies traf vollkommen zu. Mr. Silas Riley, Buchhalter, war in der Tat ein außerordentlich seltenes Tier – ein hochaufgeschossener, hagerer, grobknöchiger Mann aus Yorkshire, voll von jener maßlosen Einbildung, wie sie nur in der tüchtigsten Grafschaft Englands gedeiht. Arroganz ist ein mildes Wort, um die geistige Haltung von Mr. S. Riley zu bezeichnen. Er hatte sich nach siebenjähriger Tätigkeit zur Stellung eines Kassierers in einer Huddersfielder Bank hinaufgearbeitet und seine ganzen Erfahrungen in den nördlichen Fabrikbezirken gesammelt. Vielleicht hätte er in die Gegend von Bombay, wo Gewinne von anderthalb Prozentden Menschen schon glücklich machen und das Geld billig ist, besser hineingepaßt. Hier in einer Weizenprovinz Oberindiens war er unbrauchbar, denn hier bedarf ein Mann eines weiten Blicks und eines Funkens von Phantasie, um eine befriedigende Bilanz vorzeigen zu können.
    In Geschäften war er von einer erstaunlichen Beschränktheit; da er im Lande fremd war, ahnte er natürlich nicht, daß das Bankwesen in Indien sich von dem in der Heimat gründlich unterscheidet. Wie fast jeder kluge Selfmademann entbehrte seine Natur nicht eines beträchtlichen Maßes von Einfalt; auf irgend eine Weise hatte er sich dank der in die üblichen Höflichkeitsfloskeln gekleideten Bedingungen seines Anstellungsschreibens den Glauben konstruiert, die Direktoren hielten besondere Stücke auf ihn und hätten ihn wegen seiner glänzenden Geistesgaben zu dem Posten auserwählt. Dieser Gedanke wuchs und nahm immer festere Formen an und vermehrte noch seinen natürlichen Fond Yorkshirer Einbildung. Außerdem war seine Gesundheit angegriffen; er litt an einem Lungenleiden und war daher besonders reizbar.
    Nach alledem muß man wohl zugeben, daß Reggie triftigen Grund hatte, seinen Buchhalter als eine naturhistorische Seltenheit zu bezeichnen. Die beiden Männer kamen überhaupt nicht miteinander aus. Riley hielt Reggie für einen wilden, hirnverbrannten Dummkopf mit einer Vorliebe für, der Himmel weiß was für Ausschweifungen in gemeinen Lokalen, »Offiziersmessen« genannt; für einen Menschen, der zu dem ernsten und geheiligten Beruf des Bankfachmannes überhaupt nicht taugte. Niemals vermochte er sich mit Reggies jugendlichem Aussehen, mit seinem »Hol-dich-der Teufel« Gebaren abzufinden; und er konnte auch nicht Reggies Freunde verstehen – gutgewachsene, leichtsinnige Burschen von der Armee, die an Sonntagvormittagen zu Frühstücken inder Bank hinübergeritten kamen und schwüle Geschichten erzählten, bis Riley aufstand und das Zimmer verließ. Riley fuhr ohne Unterbrechung fort, Reggie zu zeigen, wie er das Geschäft führen müsse, und Reggie mußte ihn mehr als einmal daran erinnern, daß eine siebenjährige, begrenzte Erfahrung zwischen Huddersfield und Everley einen Mann noch nicht instand setzte, ein Geschäft im Innern Indiens zu leiten. Dann fing Riley an zu schmollen und sich darauf zu berufen, daß er eine Koryphäe der Bank und ein geschätzter

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