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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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dem Radau in den Waggons, un' mit dem Gepolter der Leute, die mit Waffen und allem Drum und Dran der Länge nach auf den Bahnsteig schlugen, als se vor dem Abmarsch ins Lager zum Appell gerufen wurden. Na, meine Sache is es nich, zu beschreiben, wie so 'ne Choleraepidemie aussieht. Der Doktor hätt 's Ihnen vielleicht sagen können, wenn er nich auch vom Waggon runter, wo wir die Toten aufluden, auf den Perron gestürzt wäre. Er starb dann mit den anderen. Einige von den Jungens waren noch in der ersten Nacht gestorben un' weitere zwanzig waren schwer krank, als wirse rausholten. Un' die Frauen standen alle in 'ne Ecke gedrängt un' schrien nur so vor Furcht.
    Da sagt der Kommandierende – ich hab seinen Namen vergessen –: ›Bringt die Weiber dort rüber nach der Baumgruppe. Schafft sie aus dem Lager raus. Das ist hier kein Platz für sie.‹
    Währenddem sitzt Mutter Pauken auf ihrer Matratze und versucht die kleine Jhansi zu beruhigen. ›Marsch, weg mit Ihnen nach den Bäumen da‹ sagt der Offizier. ›Gehen Sie den Leuten aus dem Wege!‹
    »Der Satan soll mich holen, wenn ich das tu!« sagt die alte Pauken, un' die kleine Jhansi, die neben ihrer Mutter auf der Matratze hockt', quakt gleichfalls los: ›Der Satan soll mich holen!‹ Dann wandte sich Mutter Pauken an die Weiber und fährt se an: ›Wollt ihr die Jungens hier krepieren lassen, während ihr Picknicks feiert, ihr Dreckschlampen? Gutes Wasser is, was se brauchen. Los, packt zu!‹
    Un' damit krempelt se sich die Ärmel auf und marschiert auf einen Brunnen los – die kleine Jhansi mit 'nem Schöpfgefäß un' 'ner Strippe immer hinterdrein – un' hinter ihr die anderen Weiber, folgsam wie die Lämmer, mit Pferdeeimern und Kochpötten. Als alles Geschirr voll war, marschiert die alte Pauken wieder an der Spitze ihres Weiberregiments ins Lager zurück – 's war das reinste Schlachtfeld, nur ganz ohne den Ruhm und die Ehre.
    ›McKenna, mein Jung'!‹ sagt sie mit 'ner Stimme, die wie so 'n Trompetenstoß klang, ›sag' den Jungens, daß se Ruhe halten sollen. Die alte Pauken kommt un' sorgt für se – mit 'ner Runde Freibier für alle.‹
    Dann schrieen wir Hurrah, un' das Hurrah in den Linien war lauter als das Geschrei der armen Teufel, die die Krankheit im Leibe hatten – aber nich so sehr viel lauter.
    Sie müssen nämlich wissen, das Regiment war damals noch grün, un' wir kannten uns in der Krankheit überhaupt nich aus, un' so waren wir zu nichts zu gebrauchen. Die Leute gingen nur immer wie die blöden Schafe im Kreise herum un' warteten, bis der nächste umfallen würde, un' flüsterten so ganz für sich: ›Was is denn nur los? Im Namen Gottes, was is denn bloß los?‹ Es war furchtbar. Aber derweil marschierte die alte Pauken in einem fort hin un' her, her un' hin, mit der kleinen Jhansi an ihrem Rockzipfel – wenigstens alles, was von dem Kind noch zu sehen war, denn se hatte sich den Helm von 'nem Toten über den Kopf gestülpt, un' der Kinnriemen hing ihr bis auf den kleinen Bauch herab – hin un' her mit dem Wasser un' mit dem, was an Schnaps vorhanden war.
    Von Zeit zu Zeit sagte die alte Pauken, un' die Tränen kullerten nur so über ihr dickes, rotes Gesicht: ›Meine Jungens, meine armen, lieben, guten, toten Jungens!‹ Meistens aber versuchte se den Leuten Mut einzureden un' se bei der Stange zu halten, un' die kleine Jhansi erzählte ihnen in einem fort, morgen früh würde ihnen schon besser sein. Das war so 'n Trick, den se von der alten Pauken aufgeschnappt hatte, als Muttra am Fieber ausbrannte. Morgen früh! Der Morgen, der siebenundzwanzig tüchtigen Leuten aufging, war der ewige Morgen vor den Toren Sankt Peters; un' weitere zwanzig Mann lagen da sterbenskrank in der bitteren, brennenden Sonne. Aber, wie gesagt, die Weiber arbeiteten wie die Engel un' die Männer wie die Teufel, bis endlich von da oben her zwei Ärzte kamen un' wir gerettet waren.
    Aber kurz vorher – die alte Pauken lag auf den Knien neben einem Jungen aus meiner Gruppe – im Schlafsaal in der Kaserne war er mein rechter Nebenmann – un' hielt ihm das Gotteswort vor, das noch keinen im Stich gelassenhat – un' da sagt se plötzlich: ›Haltet mich, Jungens! Ich fühl' mich verdammt schlecht!‹ 's war die Sonne, nich die Cholera, die 's ihr angetan hatte. Mutter Pauken hatte vergessen, daß se nichts als ihren alten schwarzen Kapotthut aufhatte, un' se starb, während ›McKenna, mein Jung‹ se in den Armen hielt, un' die Jungens heulten

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