Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
wie die Kinder, als se sie begruben.
Noch in derselben Nacht sprang 'n mächtiger Wind auf, un' er blies un' blies unsere Zelte einfach um. Aber er blies auch die Cholera weg – keinen einzigen neuen Fall hatten wir die ganze Zeit – zehn Tage, – die wir in Quarantäne lagen. Un' Sie mögen's nun glauben oder nich, aber die Spur, die die Seuche durch das Lager gezogen hatte, glich aufs Haar der Spur eines Mannes, der viermal hintereinander in 'ner doppelten Schleife durch die Zeltgassen gegangen is. Sie sagen, der Ewige Jude führe die Cholera mit sich. Un' ich glaube, se haben recht.
»Un' das,« bemerkte Mulvaney unlogisch, »is der Grund, warum die kleine Jhansi McKenna is wie se is. Als McKenna starb, wurde se von der Frau des Unterquartiermeisters erzogen, aber gehören tut se der zweiten Kompanie; un' die Geschichte, die ich Ihnen eben erzählt habe – mitsamt der richtigen Wertschätzung Jhansi McKennas – die hab ich jedem Rekruten der Kompanie eingebläut. Straf mich, wenn ich Unteroffizier Slane nich so lange verdroschen habe, bis er um se anhielt!«
»Nein, wirklich?«
»Mensch, wahrhaftig! Se is nich gerade eine Schönheit, aber se is der alten Mutter Pauken ihre Tochter, un' es is meine Pflicht, für sie zu sorgen. Kurz eh der Slane seine ein Shilling achtzig den Tag kriegte, sag ich zu ihm: ›Slane,‹ sag' ich, ›von morgen ab is es Meuterei, wenn ich dich versohle, aber bei der Seele der alten Pauken, die jetzt in derVerklärung weilt, wenn du mir nich dein Wort gibst, daß du auf der Stelle um die Jhansi McKenna anhältst, dann schäl' ich dir mit dem Messinghaken das Fleisch von den Knochen, 's ja 'ne Schande für die zweite Kompanie, daß se so lange ledig geblieben is;« sag ich. »Soll ich mich etwa mit so 'nem grünen Dreijährigen erst noch lange rumstreiten, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe? Fällt mir ja gar nicht ein! Slane is auch gegangen un' hat se gefragt. Er is 'n guter Junge, der Slane. Der kommt eines schönen Tags noch in die Intendantur un' wird mal in seinem eigenen Einspänner spazierenfahren – dank seiner Ersparnisse. So hab' ich der alten Pauken ihre Tochter versorgt! Un' jetzt gehen Sie mal hin un' tanzen Sie mit ihr.«
Ich gehorchte.
Ich empfand tiefen Respekt vor Miß Jhansi McKenna; und später ging ich auf ihre Hochzeit.
Vielleicht werde ich eines Tages auch davon noch erzählen.
In der Blüte seiner Jugend
Als ich von dem lustigen Streich berichtete, den »der Wurm« dem Oberleutnant spielte, versprach ich eine ähnliche, aber jeder Komik bare Geschichte. Hier ist sie.
Dicky Hart wurde in seiner frühen, frühen Jugend gekapert – nicht von Wirtstochter, Dienstmädchen, Barmädchen oder Köchin, sondern von einer jungen Dame so sehr seiner eigenen Klasse und Erziehung, daß nur eine Frau entdeckt hätte, daß sie in der Welt ein ganz, ganz klein wenig unter ihm stand. Dies geschah einen Monat vor seiner Abreise nach Indien und genau fünf Tage nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag. Das Mädchen war neunzehn – will sagen sechs Jahre älter in den Erfahrungen dieser Welt als Dicky, also – im Augenblick – doppelt so töricht wie er.
Nichts ist so gefährlich leicht – ausgenommen natürlich ein Sturz vom Pferd – wie eine Trauung auf dem Standesamt. Die Zeremonie kostet noch keine fünfzig Shilling und hat eine fatale Ähnlichkeit mit einem Gang aufs Leihhaus. Nach Angabe der Personalien genügen vier Minuten für die übrigen Formalitäten: Unterschriften, Zahlung der Gebühren usw. Zum Schluß fährt der Standesbeamte mit dem Löschpapier über die Namen und sagt grimmig, den Federhalter zwischen den Zähnen: »Jetzt sind Sie Mann und Frau«; und das junge Paar marschiert auf die Straße mit dem Gefühl, daß irgendwo irgend etwas entsetzlich illegal ist.
Aber diese Zeremonie ist trotzdem bindend und kann einen Mann genau so sicher ins Verderben schleifen wie der Fluch: »Bis der Tod euch scheidet«, der regelrecht von den Stufen des Altars gesprochen wird, während kichernde Brautjungfern den Hintergrund ausfüllen und das Kirchenschifferdröhnt vom Klange: »So nimm denn meine Hände«. Auf jene andere Weise wurde Dicky Hatt gekapert, und er fand die Sache wunderschön, denn soeben hatte er eine Anstellung in Indien erhalten, die vom heimatlichen Gesichtspunkte aus einen geradezu fürstlichen Gehalt mit sich brachte. Die Heirat sollte ein Jahr lang geheimgehalten werden. Dann sollte Frau Dicky Hatt ihm nachreisen, und der Rest
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