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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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ein Gerippe zurück, von dem er, wie er schrieb, begründetermaßen vermute, daß es sich in Hogans Besitz befände.
    »Wer zum Teufel ist der Verrückte, der mit alten Knochen handelt?« fragte Hogan-Yale.
    »Verzeihung, Herr Leutnant,« sagte der Regimentskapellmeister, »das Gerippe befindet sich bei mir, und ich werde es zurückschicken, wenn der Herr Leutnant die Kosten für den Transport zur Stadt übernehmen. Ein Sarg ist auch noch dabei.«
    Hogan-Yale lächelte und reichte dem Regimentskapellmeister zwei Rupien mit den Worten: »Gravieren Sie auf dem Schädel das Datum ein, verstanden?«
    Sollte man also diese Geschichte bezweifeln, so weiß man jetzt, wohin man sich wenden muß, um das Datum auf dem Schädel des Gerippes zu lesen. Aber ich rate jedem, nicht mit den Weißen Husaren über die Angelegenheit zu sprechen.
    Ich weiß zufällig einiges über die Sache, weil ich das Paukenpferd für seine Auferstehung vorbereitete. Es konnte sich nur schwer an das Gerippe gewöhnen.

Die Bronckhorst'sche Scheidung
    Es war einmal ein Mann, der hieß Bronckhorst – ein eckiger, ungehobelter Patron mittleren Alters aus der indischen Armee – grau wie ein Dachs und mit einem Tropfen Bauernblut in den Adern, wie die Leute behaupteten. Das jedoch läßt sich nicht beweisen. Frau Bronckhorst war auch nicht mehr gerade jung, wenn auch fünfzehn Jahre jünger als ihr Gatte. Sie war eine große, blasse, stille Frau mit schweren Lidern und schwachen Augen und mit Haaren, die je nachdem das Licht fiel, rötlich oder gelblich schimmerten.
    Bronckhorst war in keiner Hinsicht ein angenehmer Mensch. Er hatte nicht den geringsten Respekt vor den hübschen öffentlichen und privaten Lügen, die das Leben etwas weniger scheußlich machen, als es in Wirklichkeit ist. Sein Benehmen gegenüber seiner Frau war ordinär. Es gibt viele Dinge – einschließlich eines tätlichen Angriffs mit geballter Faust – die eine Frau ertragen kann, aber nur selten kann sie sich abfinden, wie Frau Bronckhorst es tat, mit jahrelangen, brutalen, plumpen Hänseleien, die all ihre kleinen Schwächen verspotten: ihre Anfälle von Migräne, ihre seltenen heiteren Momente, ihre lächerlichen, kleinen Versuche, sich ihrem Gatten anziehender zu machen, entstanden aus der Kenntnis, daß sie nicht mehr ist, was sie war, und – sicherlich das Schlimmste von allem – die Liebe, die sie ihren Kindern entgegenbringt. Diese spezielle Art von schwerfälligem Witz war Bronckhorst besonders teuer. Wahrscheinlich war er ihm, ohne sich etwas Böses dabei zu denken, während der Flitterwochen verfallen, in einer Zeit, da Menschen ihren gewöhnlichen Vorrat an Liebkosungenerschöpft haben und zu dem anderen Extrem greifen, um ihre Gefühle auszudrücken. Der gleiche Impuls treibt einen Mann dazu »Scher Dich, alte Mähre!« zu sagen, wenn sein Lieblingspferd die Schnauze an seinem Rocke reibt. Zum Unglück bleibt aber diese Ausdrucksform haften, auch wenn die Reaktion der Ehe eintritt, und verletzt dann, nach erloschener Zärtlichkeit, die Frau mehr als sie sagen kann.
    Trotzdem vergötterte Frau Bronckhorst ihren »Teddy«, wie sie ihn nannte. Vielleicht war das der Grund, weshalb er sie nicht ausstehen konnte. Vielleicht – aber das ist nur eine Theorie, die sein späteres infames Benehmen erklären soll – gab er jenem seltsamen, primitiven Gefühl nach, das mitunter einen Ehegatten nach zwanzigjährigem Beisammensein an der Kehle würgt, wenn er an der anderen Seite des Tisches das gleiche Gesicht, immer und immer wieder das gleiche Gesicht, seines ihm angetrauten Weibes sieht und sich vorstellt, daß er ihr so, wie er es jetzt tut, bis an das Ende ihres oder seines Lebens gegenübersitzen muß. Die meisten Männer und Frauen kennen diesen Krampf. Er dauert in der Regel nur drei Atemzüge und muß eine Art »Rückfall« sein in die Zeiten, da Mann und Weib noch um einen Grad schlimmer waren als jetzt, und er ist viel zu unangenehm um erörtert zu werden.
    Eine Einladung zu Tisch bei den Bronckhorsts war eine Strafe, der sich nur wenige Menschen freiwillig unterzogen. Bronckhorst fand Freude daran, Dinge zu sagen, die seiner Frau wehe taten. Wenn der Kleine beim Dessert hereingebracht wurde, gab Bronckhorst ihm meistens ein halbes Glas Wein zu trinken, worauf das Kerlchen natürlich ausgelassen wurde und zum Schluß den Katzenjammer bekam und schreiend entfernt werden mußte. Bronckhorst pflegte sich dann zu erkundigen, ob Teddy sich immer so benehme und ob Frau

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