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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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von dem hörte, meinte er, Strickland sei ein ausgewachsener Engel. Ob der »Mether« Janki, Frau Bronckhorsts Kinderfrau, Liebeswerbungen vortrug, ist eine Frage, die nur Strickland selbst angeht.
    Nach drei Wochen erschien er von neuem auf der Bildfläche und erklärte ruhig: »Sie haben die Wahrheit gesprochen, Biehl. Die ganze Geschichte ist von Anfang bis zu Ende fingiert. Bei Gott! Fast überrascht sie sogar mich! Dieses Schwein von Bronckhorst verdiente abgeschossen zu werden.«
    Es gab ein großes Halloh und Geschrei, und Biehl fragte: »Wie wollen Sie es beweisen? Sie können doch nicht erklären, Sie hätten sich widerrechtlich und in Verkleidung in Bronckhorsts Grundstück herumgetrieben!«
    »Nein,« entgegnete Strickland. »Sagen Sie Ihrem Esel von Anwalt, er solle irgend einen kräftigen Senf über »inhärente Unwahrscheinlichkeit« und die »Diskrepanz der Zeugenaussagen« aufsetzen. Er wird zwar gar nichterst zu reden brauchen, aber es wird ihn glücklich machen.«
    Biehl hielt den Mund und die anderen warteten die Ereignisse ab. Sie hatten Vertrauen zu Strickland, so wie man ruhigen Männern vertraut. Als es zur Verhandlung kam, war der Gerichtssaal überfüllt. Strickland hielt sich inzwischen auf der Veranda des Gerichtsgebäudes auf, bis er dem mohammedanischen Aufwärter begegnete. Dann murmelte er ihm einen Fakirsegen ins Ohr und fragte ihn, wie es seiner zweiten Frau ginge. Der Mann fuhr herum und sperrte, als er in die Augen von »Estrekeen Sahib« blickte, vor Schreck Mund und Nase auf. Man bedenke, Strickland war vor seiner Heirat unter den Eingeborenen eine Macht gewesen. Strickland flüsterte ihm ein etwas ordinäres, einheimisches Sprichwort zu, des Inhalts, daß er über alles unterrichtet sei, und begab sich, bewaffnet mit einer handfesten Trainerpeitsche, in den Gerichtssaal.
    Der Mohammedaner war der erste Zeuge, und Strickland strahlte ihn aus dem Hintergrund des Saales wohlwollend an. Der Mann befeuchtete mit der Zunge die Lippen und nahm, in seiner hündischen Furcht vor »Estrekeen Sahib«, dem Fakir, jeden Punkt seiner Aussage zurück; er erklärte, er sei ein armer Mann und Gott sei sein Zeuge, daß er total vergessen hätte, was Bronckhorst Sahib ihm zu sagen befohlen habe. In seiner tödlichen Angst vor Strickland, dem Richter und Bronckhorst brach er weinend zusammen.
    Da setzte die Panik unter den Zeugen ein. Janki, die Kinderfrau, die keusch aus den Falten ihres Schleiers hervoräugelte, wurde aschgrau im Gesicht, und der Sänftenträger verließ den Gerichtssaal. Er erklärte, seine Mama läge im Sterben, und es wäre für niemanden ratsam, in Gegenwart von »Estrekeen Sahib« ausgiebig zu lügen.
    Biehl sagte höflich zu Bronckhorst: »Ihre Zeugen scheinen nicht zu funktionieren. Haben Sie nicht vielleicht noch ein paar gefälschte Briefe bei der Hand?« Aber Bronckhorst schwankte nur in seinem Stuhle hin und her, und es trat eine Totenstille ein, als man Biehl zur Ordnung gerufen hatte.
    Bronckhorsts Anwalt sah den Ausdruck auf seines Klienten Gesicht, warf unverzüglich seine Papiere von sich auf den kleinen grünen Tisch und murmelte irgendetwas von »falsch unterrichtet sein.« Der ganze Saal brach in donnernden Beifall aus, wie Militär in einem Theater, und der Richter begann seine Seele zu erleichtern.
    *
    Biehl stand von seinem Platze auf, und Strickland ließ auf der Veranda eine handfeste Trainerpeitsche fallen. Zehn Minuten später war Biehl hinter den alten Gefängniszellen dabei, Bronckhorst still und ohne Skandal in Fetzen zu schlagen. Was von Bronckhorst übrig blieb, wurde in einen Wagen gepackt; und seine Frau weinte über den Überresten und pflegte sie, bis sie wieder menschenähnlich wurden.
    Später, nachdem es Biehl gelungen war, die Gegenklage wegen Zeugenbestechung niederzuschlagen, meinte Frau Bronckhorst mit ihrem matten, wässrigen Lächeln: es hätte wohl irgendein Irrtum vorgelegen und ganz wäre ihr Teddy ja nicht an der Sache schuld. Vielleicht hätte er sie ein wenig satt bekommen, oder sie hätte seine Geduld auf eine zu harte Probe gestellt; und vielleicht würden wir sie jetzt nicht mehr schneiden, und am Ende erlaubten die Mütter auch, daß ihre Kinder wieder mit dem kleinen Teddy spielten. Er wäre ja so einsam. Dann wurde Frau Bronckhorst überall eingeladen, bis Bronckhorst wieder fähig war, auszugehen, worauf er nach England reiste und seine Frau mitnahm. Nach allem, was man zuletzt von ihm hörte, ist ihr Teddytatsächlich »zu

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