Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
wenn irgend ein Esel von Freund das in einer Weise tut, die die Gemüter von Ihrer Majestät Kavallerie in Aufruhr versetzt?«
Martyn entgegnete: »Du bist ein großer Mann und wirst dereinst General werden; aber ich würde meine Aussicht auf den Rittmeister opfern, wenn ich mit heiler Haut aus dieser Sache raus wäre.«
Die Vorsehung rettete Martyn und Hogan-Yale. Der Etatsmäßige führte den Obersten in eine Nische, wo sonst die Leutnants nachts ihren Poker spielten; dort unterhielten sie sich leise, nachdem der Oberst sich weidlich ausgeflucht hatte. Ich nehme an, der Etatsmäßige schilderte den Streich als das Werk irgendeines gemeinen Kavalleristen, den man nie und nimmer eruieren würde, und ich weiß, er betonte,welche Sünde und Schande es sei, das ganze Regiment zur Zielscheibe des Spotts und des öffentlichen Gelächters zu machen.
»Sie werden uns,« sagte der Etatsmäßige, der wirklich eine bewunderungswürdige Phantasie besaß, – »sie werden uns »Die Wilde Jagd«, die »Geisterjäger« nennen; ja, sie werden uns von einem Ende der Armeeliste bis zum anderen mit jedem nur möglichen Spitznamen belegen. Sämtliche Erklärungen von der Welt werden nicht genügen, um den anderen klar zu machen, daß das Offizierkorps nicht dabei war. Um der Ehre des Regiments und Ihrer selbst willen: vertuschen Sie diese Sache.«
Der Oberst war vor lauter Wut erschöpft; so war es nicht so schwierig, ihn zu beruhigen, wie man hätte annehmen können. Langsam und allmählich bewog man ihn zu der Erkenntnis, daß es offensichtlich unmöglich sei, das ganze Regiment vor ein Kriegsgericht zu stellen, und ebenso offensichtlich unmöglich, irgendeinem x-beliebigen Leutnant den Prozeß zu machen, der seiner Meinung nach die Sache angezettelt hätte.
»Aber das Vieh lebt ja noch! Man hat es gar nicht erschossen!« brüllte der Oberst. »Es ist glatter, frechster Ungehorsam! Ich habe erlebt, daß ein Kerl sich wegen geringerer Sachen das Genick gebrochen hat, wegen verdammt viel geringerer Sachen! Ich sage Ihnen, Mutman, sie machen sich über mich lustig! Lustig machen sie sich!«
Und wieder setzte sich der Etatsmäßige zum Obersten und rang mit ihm, eine volle halbe Stunde lang. Nach Ablauf dieser Zeit meldete sich der Regimentswachtmeister. Die Situation war für ihn so ziemlich neu, aber er war nicht der Mann, sich durch irgend etwas aus der Fassung bringen zu lassen. Er grüßte und berichtete: »Melde gehorsamst, daß das ganze Regiment wieder beisammen ist.« Dannfügte er, um den Oberst zu besänftigen, hinzu: »Und die Pferde haben auch nicht gelitten.«
Der Oberst schnaubte nur und antwortete: »Na, dann bringen Sie die Leute nur ins Bettchen und sorgen Sie dafür, daß sie in der Nacht nicht aufwachen und schreien.« Darauf zog sich der Wachtmeister zurück.
Dieser kleine Scherz gefiel dem Obersten; außerdem fing er an, sich der Ausdrücke zu schämen, die er gebraucht hatte. Der Etatsmäßige redete ihm nochmals zu, und die beiden saßen bis tief in die Nacht zusammen.
Am übernächsten Tage gab es eine feierliche Parade vor dem Obersten als dem Garnisonskommandanten, und er hielt den Weißen Husaren eine kräftige Strafpredigt. Der Kern seiner Rede war, da das Paukenpferd sich trotz seines Alters fähig gezeigt hätte, das ganze Regiment in die Flucht zu schlagen, sollte es auf seinen stolzen Posten an der Spitze des Regiments zurückkehren – aber das Regiment sei und bleibe ein Pack erbärmlicher Schufte mit schlechten Gewissen.
Da brachen die Weißen Husaren in ein Hoch aus und warfen alles Bewegliche, das ihnen zur Hand war, in die Luft; und am Schluß der Parade ließen sie den Obersten hochleben, bis sie heiser waren. Leutnant Hogan-Yale dagegen erhielt keine Ovation; er hielt sich still im Hintergrunde auf und lächelte nur ungemein freundlich.
Und der Etatsmäßige bemerkte zum Obersten – außerdienstlich: »Derartige Kleinigkeiten machen außerordentlich populär und erschüttern nicht im geringsten die Disziplin.«
»Aber ich habe mein Wort nicht gehalten,« sagte der Oberst.
»Lassen Sie 's gut sein,« erwiderte der Etatsmäßige. »Die Weißen Husaren werden Ihnen von jetzt ab überallhin folgen. Regimenter sind wie die Weiber. Wenn man ihnen inKleinigkeiten nachgibt, kann man sie um den Finger wickeln.«
Eine Woche später erhielt Hogan-Yale einen überaus merkwürdigen Brief, unterzeichnet: »Sekretär des Wohlfahrtsvereins Charitas und Zelos, 3709 E. C.« Der Betreffende verlangte
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