Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
Bronckhorst nicht gefälligst ein wenig vonihrer Zeit darauf verwenden möchte, »dem Bengel einige Manieren beizubringen«. Frau Bronckhorst, die den Jungen mehr als ihr Leben liebte, versuchte nicht zu weinen – die Ehe schien ihren Willen vollkommen gebrochen zu haben. Zum Schluß erklärte Bronckhorst dann: »Nun ist 's aber genug. Um Gottes Willen, versuche, Dich wie ein vernünftiger Mensch zu benehmen. Geh voran in den Salon.« Und Frau Bronckhorst ging, mit dem Versuch, die ganze Sache durch ein Lächeln zu vertuschen, aber der Gast war den ganzen Abend über verstimmt und fühlte sich unbehaglich.
Nach drei Jahren dieses heiteren Lebens – Frau Bronckhorst besaß keine Freundinnen, mit denen sie sich aussprechen konnte – wurde die ganze Garnison durch die Nachricht in Aufruhr versetzt, Bronckhorst hätte Klage wegen kriminellen Ehebruchs gegen einen gewissen Biehl anhängig gemacht, der – das war nicht zu leugnen – Frau Bronckhorst auf Gesellschaften besondere Aufmerksamkeiten erwiesen hatte. Der völlige Mangel an Reserve, mit der Bronckhorst seine eigene Unehre behandelte, verhalf uns zu der Erkenntnis, daß die Beweise gegen Biehl unter allen Umständen nur Indizienbeweise auf Grund von Aussagen Farbiger sein würden. Briefe waren nicht vorhanden; aber Bronckhorst erklärte öffentlich, er würde Himmel und Erde in Bewegung setzen, bis er Biehl im Zentralgefängnis die Fabrikation von Teppichen beaufsichtigen sähe. Frau Bronckhorst setzte keinen Fuß mehr vor die Tür und ließ die lieben Mitmenschen reden, was sie wollten. Die Meinungen waren geteilt. Zwei Drittel der Garnison glaubten auf der Stelle an Biehls Schuld, aber ein halb Dutzend Männer, die ihn gut leiden konnten, hielt zu ihm. Biehl selbst war wütend und überrascht. Er leugnete von A bis Z und schwor, er würde Bronckhorst halbtot prügeln.
Wir wußten, keine Jury würde einen Mann, lediglich auf einheimische Zeugenaussagen hin, in einem Lande verurteilen, wo man eine Anklage wegen Mordes, alles komplett, einschließlich sogar der Leiche, für vierundfünfzig Rupien haben kann; indessen hatte Biehl wenig Lust, nur mangels an Beweisen mit einem blauen Auge davonzukommen. Er wünschte restlose Klarheit in dieser Angelegenheit; aber, wie er uns eines Abends erklärte: »Bronckhorst kann auf Grund der Dienstbotenaussagen alles beweisen, und ich habe nichts als mein bloßes Wort.« Das war etwa einen Monat, ehe der Prozeß begann; und wir konnten wenig anderes tun, als Biehl zustimmen. Wir wußten nur, daß die Aussagen der indischen Dienerschaft schlimm genug sein würden, um Biehls Ruf für den Rest seiner Karriere zu ruinieren, denn wenn ein Einheimischer anfängt, meineidig zu werden, wird er es gründlich. Vor Einzelheiten schreckt er nicht zurück.
Irgend ein Genie am Fußende des Tisches, an dem die Affäre durchgesprochen wurde, sagte: »Paßt einmal auf! Ich glaube, Anwälte nützen hier gar nichts. Irgend jemand soll an Strickland telegraphieren und ihn bitten, herüberzukommen und uns rauszureißen.«
Strickland lebte ungefähr hundertundachtzig Meilen landeinwärts. Er hatte sich erst vor kurzem verheiratet, aber er witterte aus dem Telegramm eine Möglichkeit, seine alte Detektivarbeit wieder aufnehmen zu können, nach der es seine Seele gelüstete, und schon am nächsten Abend war er da und ließ sich die Geschichte vortragen. Er rauchte seine Pfeife zu Ende und sagte orakelhaft: »Wir müssen die Zeugen beim Wickel nehmen. Der Sänftenträger, die Kinderfrau und der mohammedanische Aufwärter werden vermutlich die Säulen der Anklage sein. Ich spiele mit in diesem Stück, obwohl ich fürchte, daß mein Dialekt etwas eingerostet ist.«
Er erhob sich und begab sich in Biehls Schlafzimmer, wo man seinen Koffer abgestellt hatte, und schloß die Tür. Eine Stunde später hörten wir ihn die Worte sagen: »Ich brachte es nicht über 's Herz, mich bei meiner Verheiratung von meinen alten Requisiten zu trennen. Wird das genügen?« Dort, in der Tür, verneigte sich mit vielen Salaams ein widerlicher Fakir.
»Jetzt leiht mir bitte fünfzig Rupien«, sagte Strickland, »und gebt mir Euer Ehrenwort, daß Ihr meiner Frau nichts sagen werdet.«
Er erhielt, was er wünschte, und verließ das Haus, während die ganze Tafelrunde auf sein Wohl trank. Was er dann tat, weiß nur er selbst. Zwölf Tage lang trieb sich ein Fakir in der Nähe von Bronckhorsts Grundstück herum. Danach erschien plötzlich ein »Mether«, und als Biehl
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