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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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wohler, und ging. Pack hatte für sich allein auf der rechten Seite des Bogens gefrühstückt und alles mitangehört. Er war inzwischen dank seiner lächerlichenVernarrtheit in Miß Hollis, über die ganz Simla lachte, halb verrückt geworden.
    Merkwürdig ist, daß ein Mann, der über das vernünftige Maß hinaus haßt oder liebt, bereit ist, auch unvernünftige Schritte zu tun, um seine Leidenschaft zu befriedigen; Dinge, die er lediglich um des Geldes oder der Macht willen nie tun würde. Verlaßt euch darauf, Salomo hätte nie und nimmer Ashtaroth und all den anderen Damen mit den fremdartigen Namen Altäre gebaut, wenn es nicht in seiner Zenana – nirgends sonst – Schwierigkeiten gegeben hätte. Aber das hat nichts mit unserer Geschichte zu tun. Die Tatsachen sind folgende: Tags darauf besuchte Pack Churton, als Churton nicht zu Hause war, gab seine Visitenkarte ab und stahl den Bisara von Pooree von seinem Platz unter der Uhr auf dem Kaminsims! Stahl ihn, Diebsnatur, die er war! Drei Tage später wurde ganz Simla durch die Nachricht elektrisiert, daß Miß Hollis Pack ihr Jawort gegeben hätte – Pack, der elenden, verschrumpelten Ratte! Braucht man noch klarere Beweise als diese? Der Bisara von Pooree war gestohlen worden und hatte seine Macht bewiesen – wie er das immer tat, wenn er auf unrechtmäßige Weise erworben wurde.
    Jeder Mensch kommt in seinem Leben drei-, viermal in die Lage, sich mit Recht in anderer Leute Angelegenheit zu mischen und die Vorsehung zu spielen.
    Der Mann, der Bescheid wußte, fühlte sich hierzu berechtigt, aber Fühlen und nach seinem Glauben Handeln sind zwei ganz verschiedene Dinge. Die unverschämte Befriedigung, mit der Pack neben Miß Hollis einhertrabte, sowie Churtons überraschende Erholung von seinem Leberleiden im Augenblick, da er von dem Bisara befreit war, brachten indes die Sache zum Klappen. Der Mann, der Bescheid wußte, klärte Churton auf, und Churton lachte,weil man ihn nicht dazu erzogen hatte, Leute, die auf der vizeköniglichen Einladungsliste stehen, des Diebstahls für fähig zu halten – wenigstens, wenn es sich um kleine Dinge handelt. Jedoch die ans Wunderbare grenzende Erhörung des Schneidergesellen Pack bewog ihn dazu, auf den schieren Verdacht hin Schritte zu ergreifen. Er schwor, daß ihm nur daran gelegen sei, sein rubinenbesetztes Silberkästchen ausfindig zu machen. Nun kann man aber einen Menschen, dessen Name auf der vizeköniglichen Einladungsliste steht, nicht des Diebstahls bezichtigen. Und wenn man sein Zimmer plündert, ist man selbst ein Dieb. Churton, getrieben von dem Manne, der Bescheid wußte, entschied sich für den Einbruch. Falls er in Packs Zimmer nichts entdeckte – – aber es ist nicht angenehm, zu bedenken, was in diesem Falle geschehen wäre.
    Pack besuchte einen Ball in Beninore – Benmore war damals noch Benmore und kein Büro – und tanzte fünfzehn von zweiundzwanzig Walzern mit Miß Hollis. Churton und der betreffende Mann nahmen alle Schlüssel, die ihnen in die Hände fielen, und begaben sich auf Packs Hotelzimmer, überzeugt, daß die Dienerschaft ausgegangen wäre. Pack war ein schäbiger Kerl. Er hatte nicht einmal eine anständige Kassette gekauft, um seine Papiere aufzubewahren, sondern eine von den billigen inländischen Imitationen, die für zehn Rupien zu haben sind. Sie ließ sich mit jedem beliebigen Schlüssel öffnen, und da – auf ihrem Boden unter Packs Versicherungspolice lag der Bisara von Pooree!
    Churton gab Pack alle möglichen schmeichelhaften Namen, steckte den Bisara von Pooree in die Tasche und ging mit »dem Mann« auf den Ball. Wenigstens kam er noch rechtzeitig zum Souper und erblickte in Miß Hollis Augen den Anfang vom Ende. Sie bekam nach dem Souper einenhysterischen Anfall und wurde von ihrer Mama nach Hause gebracht.
    Auf dem Ball verstauchte sich Churton, der den abscheulichen Bisara in der Tasche trug, den Fuß, während er die Treppe, die nach der alten Rollschuhbahn führte, hinabging, und mußte murrend in einer Rickshaw nach Hause gebracht werden. Er glaubte trotz dieses erneuten Beweises nicht an den Bisara, aber er suchte Pack auf und warf ihm einige unfreundliche Bezeichnungen an den Kopf, von denen der Ausdruck »Dieb« noch der mildeste war. Pack nahm die Beschimpfung mit dem nervösen Lächeln des Schwächlings auf, dem es sowohl an körperlicher wie an seelischer Kraft gebricht, eine Beleidigung zu verübeln. Dann ging er still seines Wegs. Einen öffentlichen

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