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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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sehnen. Also trollte er sich wieder die Treppe hinunter und unterhielt sich während der nächsten vier Tänze mit vier verschiedenen Mädchen, von denen er dreien einen Heiratsantrag machte. Eines von den Mädchen war übrigens eine verheiratete Frau. Dann begab er sich in das Whistzimmer, wo er mit dem Gesicht nach vorn hinfiel und auf dem Teppich vor dem Kamin in Tränen ausbrach, weil er einer Bande von Falschspielern in die Hände gefallen sei und seine Mama ihn immer schon vor schlechter Gesellschaft gewarnt hätte. Daneben hatte er sich aber noch alles mögliche geleistet und ungefähr drei Viertel Liter gemischten Alkohols konsumiert. Außerdem hatte er über mich die skandalösesten Dinge erzählt!
    Sämtliche Frauen verlangten, daß er hinausgeworfen würde und sämtliche Männer wollten ihn verprügeln. Das Schlimmste aber war, daß jeder erklärte, ich wäre an allem Schuld! Nun frage ich ganz ehrlich: wie zum Teufel konnte ich ahnen, daß dieser unschuldige, flaumige junge Globetrotter in so ekelhafter Weise über die Stränge schlagen würde? Nachdem er fast die ganze Welt bereist hatte! Seine Flüche waren wirklich kosmopolitisch, obwohl er die meisten in einem gemeinen japanischen Teehaus in Hakodate aufgelesen hatte. Sie klangen wie eine Dampfpfeife.
    Während ich erst der einen, dann der anderen Schilderung von Jevons schamlosem Benehmen lauschte und alle Männer nacheinander von mir sein Blut forderten, fragte ich mich, wo er jetzt wohl steckte. Ich war bereit, ihn auf der Stelle der Gesellschaft zu opfern.
    Aber Jevon war verschwunden und dort, in einer fernen Ecke des Speisesaals, saß mit leicht gerötetem Kopf mein lieber, guter, kleiner Leutnant und stärkte sich an Salat. Ich ging zu ihm hin und forschte: »Wo ist Jevon?« »In der Garderobe«, sagte der Leutnant. »Es hat Zeit, bis die Damen gegangen sind. Lassen Sie bloß meinen Gefangenen in Ruhe.« Ich wollte ihn auch in Ruhe lassen, trotzdem warf ich einen Blick in die Garderobe und gewahrte meinen Gast, den man auf einigen zusammengelegten Teppichen, ohne Kragen und mit einem nassen Wickel um den Kopf, hübsch gemütlich zu Bett gebracht hatte.
    Den Rest des Abends verbrachte ich mit schüchternen Erklärungen gegenüber Mrs. Deemes und drei, vier anderen Damen, sowie mit dem Versuch, meinen Ruf von den schändlichen Verleumdungen zu reinigen, durch die mein Gast ihn beschmutzt hatte. (Ich bin wirklich ein anständiger Mensch.) Der Ausdruck Verleumdungen reicht noch nicht für das, was er über mich verbreitet hatte.
    Wenn ich nicht gerade mit meinen Erklärungen beschäftigt war, rannte ich in die Garderobe, um zu sehen, ob Jevon auch nicht einem Schlaganfall erlegen wäre. Ich wollte nicht, daß er mir hier unter den Händen starb. Immerhin hatte er von meinem Salz und Brot gekostet.
    Endlich, endlich war jener entsetzliche Ball zu Ende, ohne daß ich jedoch bei Mrs. Deemes einen Zollbreit Boden zurückgewonnen hätte. Als die Damen fort waren und irgend jemand bei der zweiten Abendtafel nach einem Tischlied verlangte, befahl mein Engel von Leutnant dem Speisemeister,das eine Ende der Speisetafel abzuräumen und den Sahib aus der Garderobe herzubringen. Während dieses geschah, konstituierten wir uns zu einem Strafgericht, dessen Vorsitz der Doktor übernahm.
    Jevon wurde von vier Mann hereingetragen und auf den Tisch gelegt, wie eine Leiche im Seziersaal, und der Doktor hielt ihm eine Strafpredigt über die Sünden der Unmäßigkeit, während Jevon schnarchte. Dann machten wir uns an die Arbeit.
    Wir schwärzten ihm das ganze Gesicht mit Korkruß. Wir schmierten sein Haar so voller Schlagsahne, daß es das Aussehen einer weißen Perücke hatte. Um das Ganze ungestört trocknen zu lassen, zog ein Mann von der Feldzeugmeisterei, der sich auf die Sache verstand, eine große, blaue Papiermütze aus einem Knallbonbon bis tief in Jevons Stirn und leimte sie dort mit Schlagsahnenkleister fest. Man bedenke, das geschah als Strafe, nicht zum Scherz. Wir nahmen Gelatinepapier von den Knallbonbons und klebten ihm blaue Gelatine auf die Nase und gelbe Gelatine auf das Kinn und grüne und rote Gelatine auf die Backen, wobei wir jedes Stück so fest aufdrückten, daß es haftete wie Goldschlägerhaut.
    Wir legten ihm eine Schinkenkrause um den Hals und banden sie vorn als Krawatte zusammen. Er wackelte dabei mit dem Kopf wie ein Mandarin.
    Wir klebten Gelatinepapier auf seine Handrücken und beschmierten die Innenflächen mit gebranntem Kork und

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